Fernwärme nun braunkohlefrei
Mit einer Bootsdemo feierten Umweltinitiativen das Ende der Kohleverbrennung im Kraftwerk Klingenberg
Eine leichte Brise weht über die Rummelsburger Bucht. Das Wasser reflektiert glitzernd die wärmende Sonne. Wind, Wasser, Sonne - die Energieträger der Zukunft - zeigen sich von ihrer besten Seite. Rund 20 Boote, viele mit Transparenten behängt, sammeln sich zur Freudendemo für die Abschaltung vor dem Kraftwerk Klingenberg an der Spree. Noch fest vertäut liegen dort einige Dutzend Kohlekähne. Sie werden wohl keine Kohle mehr hierher transportieren, denn am Mittwoch soll die Braunkohleverbrennung in Berlin Geschichte sein. Dann wird an diesem Standort nur ein relativ kleines 100- Megawatt-Gaskraftwerk laufen und das Kohlekraftwerk mittelfristig umgerüstet werden. Die Wärme für rund 300 000 Haushalte kommt nun großteils vom Gaskraftwerk in Marzahn.
Noch vor gut zehn Jahren wollte Vattenfall an diesem Ort ein zweites Braunkohlekraftwerk errichten, wogegen sich 2007 eine Bürgerinitiative gründete. Hannah Neumann, Bundestagskandidatin der Grünen in Lichtenberg, ist wichtig zu betonen, dass die Abschaltung ohne die damaligen Proteste wohl nicht möglich gewesen wäre. Sie ist froh, dass nun 600 000 Tonnen weniger CO2 jährlich ausgestoßen werden.
Auch Umweltsenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) ist mit dabei. Für sie ist die Abschaltung ein »großer Schritt«. Zwar gebe es noch vier Steinkohlekraftwerke in Berlin, aber Braunkohle sei der »schmutzigste Energieträger«. Für sie hat darüber hinaus dieses Kraftwerk besondere Symbolkraft, weil Namenspatron Georg Klingenberg als deutscher Ingenieur für die AEG ausgesprochen wegweisend bei der Entwicklung großer Kohlekraftwerke war. 1925, kurz vor seinem Tod, konstruierte er das Kraftwerk Klingenberg an der Rummelsburger Bucht.
Für den Grünen-Energieexperten Stefan Taschner ist die Abschaltung von Klingenberg vor allem das Symbol des »unwiederkehrlichen Einstiegs in den Ausstieg«. Zwar dürfen die Steinkohlekraftwerke offiziell bis 2030 weiterlaufen, aber er ist »zuversichtlich, dass wir den Ausstieg früher schaffen«. Die vier Standorte versorgen nach Auskunft der Senatsverwaltung rund 700 000 Wohnungen mit Fernwärme. Die Abschaltung sei in dieser Hinsicht schon eine Herausforderung, die nicht so schnell zu bewältigen ist. Außerdem sei es wichtig, eine wirkliche Energiewende hin zu erneuerbaren Energien hinzukriegen und nicht einfach auf Gas umzuschwenken, was sicher schneller zu machen ist. Immerhin sei schon jetzt geplant, dass ein kohlegefeuerter Block des Kraftwerks Reuter im Jahr 2020 außer Betrieb gehen und durch eine Power-to-Heat-Anlage ersetzt werden wird. Dabei wird überschüssiger Ökostrom in Wärme umgewandelt.
Senatorin Günther betont, dass man nun auch nach Brandenburg schauen müsse, wo noch mindestens zwei Braunkohlekraftwerke Strom erzeugen und außerdem der Braunkohletagebau für große Probleme sorgt - auch für Berlin. Seit 2013 steigt der Sulfatwert in der Spree kontinuierlich an und überschreitet mittlerweile den Immissionszielwert von 220mg/l. Im Trinkwasser gab es, so die Umweltverwaltung, bislang keine Grenzwertüberschreitungen, auch wenn die Werte an einigen Brunnen kritisch sind.
Den Tagebau in der Lausitz zu beenden, ist auch für die Aktivisten von »Kohleausstieg Berlin« wichtig, den Initiatoren der Demo. In der Lausitz wird dafür auf Fahrrädern demonstriert. Außerdem wolle man der Politik weiter auf die Finger schauen. »Heute ist ein erfreulicher Tag, aber viele Fragen im Bezug auf den Kohleausstieg in Berlin sind noch offen«, sagt Oliver Powall von der Initiative.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.