Die Hacker sind schuld

Bernd Zeller laboriert noch an den Folgen des weltweiten Cyberangriffs

  • Bernd Zeller
  • Lesedauer: 3 Min.

In unserem heutigen Bericht befassen wir uns mit den Chancen, die in der Krise durch Cyberattacken liegen, wie wir sie testweise vorige Woche erlebt haben. Unbekannten Mächten war es gelungen, Bahnhöfe, Krankenhäuser und den Berliner Großflughafen lahmzulegen. Daran kann man sehen, wie vorteilhaft es ist, dass so vieles nur noch digital abläuft. Denn wenn echte Schaffner und Bahnhofsvorsteher lahmgelegt worden wären, hätte es eindringlicher Aufrufe bedurft, so weiterzumachen wie bisher, wohingegen sich dies nun erübrigte und wir das aus Gewohnheit ohnehin so handhaben.

Wir haben also die Gelegenheit, wieder die zwischenmenschlichen Beziehungen zu stärken, ohne digitale Vermittlung und ohne den Zusatz »intelligent«. Der intelligente Stromzähler zum Beispiel ist so klug; er zählt den Strom, der noch gar nicht verbraucht wurde, damit man noch mehr spart, als es die Energiewende verlangt. Etwa durch Verzicht auf digitale Kommunikation, die nicht nur mit Schadsoftware infiziert sein kann, sondern auch noch Strom kostet. Dies wiederum verbessert das Benehmen; man ist im persönlichen Umgang immer noch höflicher als in den sozialen Netzwerken. Und das, obwohl man keine Gefühlssymbolgesichter verwendet, was eigentlich äußerst unhöflich ist, aber allgemein akzeptiert wird - was daran liegen muss, dass es da noch keinen Hackerangriff gab, durch den man ungewollt vielleicht nur noch böse Gesichter verschickt oder unpassend lachende.

Erstaunlicherweise war unter den Angegriffenen nicht die Bundeswehr. Entweder ist sie nicht interessant genug oder sie steckt selbst dahinter. Letztere Möglichkeit scheidet aber wegen Unwahrscheinlichkeit aus; die Leute von Ursula von der Leyen sind damit beschäftigt, die Kasernen nach Soldaten und Traditionen zu durchsuchen; was eine Armee eben so tut, wenn sie keine Gegner hat. Der Beweis, dass wir nicht bedroht werden, wäre damit erbracht; so günstig wie nie wäre der jetzige Zeitpunkt für ein gegnerisches Heer zur Invasion gewesen.

Der Säuberungsprozess selbst indes wäre geeignet, eine neue und eigene Tradition der Bundeswehr zu begründen, die voller Stolz gepflegt werden könnte. Zeremonielle Säuberungen wären auch für Zivilisten ansprechender als dieses Militärische, und Minister könnten mit dem Großen Säuberungsstreich ehrenvoll aus dem Dienst scheiden. Auch Ursula von der Leyen setzt überkommene Familientraditionen nicht fort, etwa die, ein irrtümlich übereignetes Grundstück teuer an die Kommune zurückzuverkaufen. Der progressive Geist und das Streben nach Gerechtigkeit haben die Führung erfasst. Darum müssen Standorte mit belasteten Namen umbenannt werden. Arbeitsagentur klingt ja auch besser als Peter-Hartz-Kaserne.

Umbenannt wird wohl auch der Schulzzug, nachdem er durch den Cyberangriff zum Stehen gekommen ist. Es hatte sich noch nicht bis in die Wahllokale herumgesprochen, dass man wegen des Schulz-Effektes bei Landtagswahlen die SPD wählen muss, und das lag daran, dass diese frohe Botschaft digital blockiert oder für Fake News gehalten worden war. Dabei lief es zuvor für die SPD wirklich bestens; Sigmar Gabriel wurde Außenminister, Steinmeier wurde Bundespräsident, nur Schulz wurde nicht Bundeskanzler. Aber das kann ja noch werden, hier soll nichts vorweggenommen werden. Die Journalisten sind wieder auf seiner Seite, sobald er in den Umfragen erneut aufsteigt.

Will die SPD den Schulz-Effekt wiederholen, müsste sie jetzt einen zweiten Martin Schulz aufstellen. Beide kämen bei der Nominierung zusammen auf 200 Prozent und würden ein starkes Team bilden. Hier kann man mal sehen, was schiefläuft in der SPD mit ihrer Personaldecke: Nicht einmal einen zweiten Martin Schulz hat sie zu bieten. Manche sagen auch, die SPD brauche überhaupt keinen Martin Schulz - sie hat ja schon Angela Merkel.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.