Die Angst vor dem Regen bleibt

Meterhohe Schlammfluten auf dem Markt, vorbeitreibende Autos, Bäume wie Rammböcke - ein Jahr ist das Regenchaos im Süden her

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Simbach am Inn/Braunsbach. Glasklar und friedlich plätschert der Simbach durch sein steinernes Bachbett. Das Wasser glitzert im Sonnenlicht. Blauer Himmel und Vogelgezwitscher in der niederbayerischen Stadt am Inn, die so heißt wie das Bächlein, das vor einem Jahr zur tödlichen Flut anschwoll. Fünf Menschen waren in Simbach beim »Jahrtausendhochwasser« gestorben, zahlreiche Häuser unbewohnbar geworden. Nach dem ersten Schock und dem großen Schlammschippen ist nun der Wiederaufbau in vollem Gange. Insgesamt kamen bei der Flut sieben Menschen in der Region ums Leben.

Bis zu fünf Meter hoch staute sich in Simbach am 1. Juni 2016 das Wasser, nachdem oberhalb der Stadt nach tagelangem Regen der Damm gerissen und die Flut die Straßen hinabgeschossen war. Nun stehen die Häuser leer. Am Mauerwerk lässt sich ablesen, wie hoch der Schlamm stand. Die Fenster sind mit Holzplatten vernagelt. Neben den Türen sind noch immer blaue Kreuze zu sehen. Damit hatten die Retter die Gebäude markiert, nachdem sie sie nach Opfern und Überlebenden durchsucht hatten.

Auch im baden-württembergischen Braunsbach, rund 370 Kilometer von Simbach entfernt, bot sich ein Bild der Verwüstung. Mancher sprach von einem Wunder, dass bei der Katastrophe niemand ums Leben kam, als am 29. Mai 2016 eine gigantische Schlamm- und Gerölllawine durch das Dorf rauschte und mehr als 100 Millionen Euro Schaden anrichtete. Ein Besucher eines Gasthofs nahm in der Katastrophennacht das Video mit Blick auf den Marktplatz auf, das Braunsbach über das Internet in Windeseile bundesweit bekannt machte: Meterhohe Schlammmassen strömten über den Marktplatz, Autos und ein blau blinkendes Feuerwehrauto schwammen vorbei. Baumstämme und Geröll schlugen an Fassaden.

Ein Jahr danach sind die Wunden noch überall zu sehen: Hauswände mit Löchern und Stützbalken, Schutt am Straßenrand, leer stehende Gebäude. Auch heute rattern Maschinen, Abrissbagger dröhnen. »Wir sind nicht allein gelassen worden«, sagt Bürgermeister Frank Harsch. Drei bis fünf Jahre werde der Wiederaufbau aber wohl noch dauern, schätzt er.

Ähnliche Worte kommen von Simbachs Bürgermeister Klaus Schmid (CSU): »Ich denke, wir haben noch einige Jahre zu tun, um wieder Normalzustand in Simbach zu haben.« Auch hier hinterließ die Flut enorme Schäden. Dass seine Kommune keine Geisterstadt bleiben soll, ist deutlich zu spüren. Etliche Häuser sind eingerüstet, auf Bauzäunen prangen Werbetafeln von Handwerksbetrieben. Es wird gebaut, abgerissen, saniert. Die ersten Anwohner seien in ihre alten Häuser zurückgekehrt, andere in neue umgezogen, sagt Schmidt.

Vom Rathaus zum Bach sind es nur wenige Schritte. Am Bachbett stehend erläutert der Bürgermeister die Folgen der Flut und die Pläne für den Hochwasserschutz. Das Bachbett soll verbreitert werden, um dem Wasser im Fall des Falles mehr Platz zu geben. Der gebrochene Deich wird erneuert, ebenso Straßen, Kanäle und Brücken. Die neuen Hochwasserflächen sollen zudem nicht nur funktional, sondern auch attraktiv sein, sagt Schmid. Grünflächen und ein Radweg seien denkbar.

Der Rathauschef versucht, seine Bürger zu ermutigen. Viele habe er besucht, mit ihnen gesprochen und sie aufgefordert, ihre Läden wieder zu öffnen, sagt er - bloß nicht aufgeben. Einer von ihnen ist Vasile Stratulat. Seine Sattlerei war in den Fluten untergegangen. Alles kaputt, rund 60 000 Euro Schaden. Eigentlich habe er den Laden nicht wieder eröffnen wollen, sagt der Sattler, doch der Bürgermeister habe ihm Mut gemacht. Stratulat nahm einen Kredit auf und startete neu. Das Treppenhaus ist noch Baustelle, doch der Laden ist wieder in Betrieb. »Aber man denkt immer dran.«, sagt er. »Vor allem wenn es viel regnet, dann schauen wir gleich aus dem Fenster.«

Von bleibender Angst berichtet auch Thomas Störs im fränkischen 150-Einwohner-Ort Sondernhohe. Am Abend des 29. Mai 2016 war eine Gewitterfront herangezogen und hatte binnen Stunden Millionen von Liter Wasser über der Frankenhöhe abgeladen. Die Sturzflut hinterließ in die Region um Flachslanden (Landkreis Ansbach) und Obernzenn (Landkreis Neustadt/Aisch) eine Schneise der Verwüstung und verursachte Sachschäden in Millionenhöhe. Alle im Ort seien überrascht worden, sagt der Bürgermeister von Flachslanden, Hans Henninger: »Schließlich liegen wir hier nicht im Tal, sondern 500 Meter hoch auf der Wasserscheide der Frankenhöhe.« dpa/nd

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