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Castorfs neue Bühne

Oliver Reese folgt Claus Peymann als Intendant des Berliner Ensemble Nun stellte er seine Pläne für die Spielzeit 2017/18 vor - und wusste zu überraschen

  • Elke Vogel
  • Lesedauer: 3 Min.

Die »Einladung ins Schlammbad« hat er ausgeschlagen. Oliver Reese, neuer Intendant des Berliner Ensembles, ließ sich von seinem Vorgänger Claus Peymann nicht provozieren. Der 79-jährige Theaterpatriarch hatte den 53-jährigen Reese unter anderem als »Repräsentanten einer Generation von gescheiten, gut informierten, aber handzahmen Verwaltern« beschimpft. Der vom Schauspiel Frankfurt (Main) kommende Reese gab sich unbeeindruckt und arbeitete lieber an seinem Konzept für das Traditionshaus am Schiffbauerdamm. Am Dienstag stellte er frei unter dem Motto »Zeit für Drama« sein erstes Programm vor - und das hat es in sich.

Der gebürtige Westfale Reese setzt konsequent auf starke zeitgenössische Stücke - und vor allem auf ein starkes Ensemble. Ein echter Coup: Reese ist es gelungen, den unfreiwillig scheidenden Volksbühnen-Intendanten Frank Castorf zu engagieren. Castorf werde in den nächsten fünf Jahren in Berlin ausschließlich am Berliner Ensemble (BE) Theater zeigen, sagte Reese gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. »Er nimmt sich zuerst eines großen Romanstoffes an, der es verrückterweise nur auf die Musicalbühne, aber nie auf die Theaterbühne geschafft hat: Victor Hugos ›Les Misérables‹.«

Reeses Plan für die einstige Brecht-Bühne: »Wir schätzen Stücke, in denen die guten alten Tugenden des Theaters eine zentrale Rolle spielen: Drama, Figuren, Dialog, eine Geschichte und ein starkes Thema.« Der preisgekrönte Michael Thalheimer wird neuer Hausregisseur. Reese wird außerdem mit den Regisseuren David Bösch und Antú Romero Nunes sowie der slowenischen Regisseurin Mateja Koleznik und Ola Mafaalani, einer Holländerin mit syrischen Wurzeln, zusammenarbeiten.

Zum neuen Ensemble gehören 28 fest angestellte Schauspieler - darunter Corinna Kirchhoff, Constanze Becker, Judith Engel, Patrick Güldenberg, Veit Schubert und Stefanie Reinsperger. »Ich finde es sehr gefährlich, die Struktur des Ensemble- und Repertoiretheaters aufzulösen«, so Reese mit Blick auf die Debatte um die Berliner Volksbühne und ihren neuen Intendanten Chris Dercon. »Denn ohne Ensemble gibt es auch kein Repertoire. Soll heißen: Keine täglich wechselnden Vorstellungen, nicht die Lebendigkeit eines großen, breiten Angebots.«

Konsequent will das neue Berliner Ensemble Autoren fördern. »Es gab eine Zeit«, so Reese, »da hatte der deutschsprachige Raum die stärksten Theaterschreiber zu bieten: Heiner Müller, Thomas Bernhard, Botho Strauß, Franz Xaver Kroetz. Es war vollkommen selbstverständlich, dass sie in den großen Häusern uraufgeführt wurden und danach im ganzen Land nachgespielt wurden. Das ist vorbei.« Statt nur auf den Nebenbühnen sollen Stücke junger Autoren bei ihm auch im großen Haus gespielt werden. Schriftsteller Moritz Rinke ist Chef des neuen BE-Autorenprogramms. Als einer der ersten wird Filmemacher Burhan Qurbani (»Wir sind jung. Wir sind stark.«) ein Stück für das Haus entwickeln.

Ende September startet die Ära Reese mit drei Premieren an drei aufeinanderfolgenden Tagen: Antú Romero Nunes inszeniert Camus’ »Caligula«, Mateja Koleznik zeigt »Nichts von mir« des Norwegers Arne Lygre, und Michael Thalheimer bringt »Der kaukasische Kreidekreis« auf die Bühne - »das Stück, das Brecht selber zu Beginn seiner Zeit am Berliner Ensemble inszeniert hat«, wie Reese sagt. Zeitgenössische Stücke von Ersan Mondtag, Tracy Letts, Alexander Eisenach, Duncan Macmillan und Rainald Götz folgen. Reese selbst inszeniert als Uraufführung »Panikherz« von Benjamin von Stuckrad-Barre (Februar 2018). Einige BE-Klassiker bleiben auch unter Reese im Repertoire - darunter Heiner Müllers legendäre Brecht-Inszenierung »Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui« mit Martin Wuttke in der Hauptrolle.

Peymanns geräumiges Büro wird Reese übrigens nicht beziehen. »Aber nicht aus Karma-Gründen, sondern aus ganz praktischen Gründen«, wie der neue Theaterchef betont. Da das BE unter Platznot leide, sollen ins große Peymann-Zimmer mehrere Assistenten einziehen. »Ich nehme ein normal großes Büro.« dpa/nd

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