Keine neuen Richtlinien für Biobranche
EU-Ökoverordnung scheint vorerst gescheitert
Der Frust war Martin Häusling deutlich anzusehen, als der Europa-Abgeordnete der Grünen/EFA-Fraktion am Mittwoch in Brüssel vor die Presse trat. Eigentlich wollte der Berichterstatter und Verhandlungsführer des Parlaments für die EU-Ökoverordnung eine Einigung bekanntgeben, stattdessen verkündete er: »Der Trilog wurde von Seiten der EU-Ratspräsidentschaft Malta abgesagt - ohne weitere Erklärungen.«
Nach drei Verhandlungsjahren scheint eine neue Richtlinie zum Ökolandbau in weite Ferne gerückt. Statt sich um einen Kompromiss zu kümmern und so den angesetzten finalen Trilog zu ermöglichen, habe Malta dem Drängen von 17 Einzelstaaten mit 17 verschiedenen Änderungswünschen nachgegeben. Es sei »nicht nachvollziehbar«, dass es keine weiteren Verhandlungen geben soll: »Damit obsiegen Partikularinteressen über das gemeinsame Anliegen, dringend nötige Verbesserungen im Öko-Sektor zu erreichen und die Verordnung der neuen Rechtslage auf EU-Ebene anzupassen.« Häusling sieht darin »ein Spiegelbild des Zustands der gesamten EU. Wir geraten immer mehr weg von einer gemeinsamen europäischen Politik. Stattdessen gewinnen immer stärker nationale Interessen die Oberhand.«
Knackpunkte waren unter anderem neue Richtlinien für den Import von Öko-Lebensmitteln und die damit verbundenen Wettbewerbsverzerrungen. Zukünftig sollte als Mindestvorgabe der in der EU vorgeschriebene Standard gelten. Zudem waren sich die Mitgliedsstaaten uneinig über das Thema Datenaustausch, mit dem Betrug innerhalb der EU besser bekämpft werden soll. Einen Kompromissvorschlag gab es auch beim Saatgut, das zukünftig nach ökologischen Vorgaben erzeugt werden sollte. Auch das Pestizidproblem ist aktuell ungelöst, in den EU-Ländern gibt es unterschiedliche Grenzwerte.
Deutsche Ökoverbände hatten ein Ende der Verhandlungen gefordert. Sie hatten an Häusling appelliert, »nicht mehr um jeden Preis an einem Abschluss der verkorksten Verhandlungen festzuhalten«, so Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft. Viele positive Punkte, die das EU-Parlament eingebracht hatte, seien »unter die Räder gekommen«. Stattdessen solle sich Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) »aktiv für einen Abbruch des Gesetzgebungsprozesses« und einen Neustart einsetzen.
Schmidt verteidigte die Absage an den vorgelegten Kompromiss, der »in zentralen Punkten nicht zustimmungsfähig« gewesen sei und schob die Verantwortung auf die Trilogpartner, die sich »nicht beweglich genug gezeigt« hätten. »Wir wollen eine Öko-Verordnung, die Planungs- und Rechtssicherheit für die Bauern bietet und gleichzeitig den dynamischen Wachstumsmarkt unterstützt. Nur so werden Anreize für Betriebe geschaffen, auf Ökolandbau umzustellen«, erklärte Schmidt.
Häusling erteilte einem Neuanfang aber eine deutliche Absage: »Wir fangen nicht noch mal bei Null an«, sagte der Grünenpolitiker in Richtung der Ökoverbände. Wenn es jetzt keine Einigung gebe, dann werde die alte EU-Richtlinie von 1999 die kommenden zehn Jahre weiter gültig sein, das müsse auch der Branche klar sein.
Ganz aufgeben will das EU-Parlament die Möglichkeit auf eine Einigung in letzter Minute nicht. »Wir warten jetzt ab, ob eine Erklärung folgt«, so Häusling und appellierte an den EU-Rat und die Kommission, das Thema auf die Tagesordnung des nächsten Ratstreffens am 12. Juni in Luxemburg zu setzen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.