- Wirtschaft und Umwelt
- »Antifaschistische Wirtschaftspolitik«
Weg vom nationalen »Wir«
Das »Antifaschistische Wirtschaftspolitik« bleibt ein leeres Versprechen, wenn sie den nationalen Rahmen nicht durchbricht.
Eine derzeit populäre Erklärung für den Erfolg Donald Trumps lautet: Inflation und Einkommensverluste hätten bei großen Teilen der US-amerikanischen Arbeiterklasse zu Verunsicherung und Abstiegsängsten geführt. Trump habe diese Sorgen mit seiner Kampagne »Make America Great Again« in nationalistischer bis faschistischer Weise aufgegriffen. Um dem Erstarken der Rechten zu begegnen, müsse man daher die Inflation mit Preiskontrollen bekämpfen und für soziale Sicherheit sorgen, so die Ökonomin Isabella Weber. Sie nennt dieses Programm »antifaschistische Wirtschaftspolitik«. Auch hierzulande kämpfen die Menschen mit Teuerung, Unsicherheit und Abstiegsängsten. Dazu kommt, dass seit einiger Zeit Deutschlands ökonomischer Niedergang an die Wand gemalt wird. Die deutsche Wirtschaft stagniere, die Autoindustrie habe die »ökologische« Wende verschlafen und im internationalen Standortwettbewerb steige der einstige Exportweltmeister immer weiter ab.
Vor diesem Hintergrund konkurrieren die Parteien darum, wer die besseren Rezepte dafür hat, die Wirtschaft wieder auf Kurs zu bringen. CDU und FDP präsentieren die altbekannten neoliberalen Visionen: weniger Unternehmenssteuern, weniger Einkommenssteuern, weniger Sozialstaat und außerdem weniger »Bürokratie« – mit anderen Worten: weniger Regulierung der Unternehmen. Auch das Erreichen der Klimaziele soll verschoben werden, denn diese seien schlicht zu teuer. SPD und Grüne wollen Unternehmen zwar auch »entlasten«, die SPD aber mit etwas weniger Sozialstaatsabbau. Bei den Grünen ist dies noch nicht ganz klar. Der jüngste wirtschaftspolitische Vorschlag des grünen Noch-Wirtschaftsministers Robert Habeck war eine Unternehmenssubvention mit der Gießkanne: Zehn Prozent der Investitionskosten, egal wofür, übernimmt der Staat. Von sozialer Sicherheit war dabei nicht die Rede. Im Wahlkampf (aber wahrscheinlich nur dort) werden sich die Grünen vielleicht wieder an den Sozialstaat erinnern.
In diese Lücke will die Partei Die Linke mit einem »antifaschistischen Wirtschaftskonzept« stoßen. Es soll die Kluft zwischen Arm und Reich zu Ungunsten der Reichen schließen, soziale Sicherheit für die Lohnabhängigen garantieren und damit auch verhindern, dass eine Rechtspartei wie die AfD immer weiter Zulauf erhält. Gegen dieses Vorhaben ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Damit das Label »antifaschistisch« aber seinen Namen verdient, wären einige Voraussetzungen nötig.
Nationalismus und Klassenkampf
Es ist zwar richtig, dass ein Teil der AfD-Wähler*innen ihre ökonomische Situation als schlecht betrachtet und Abstiegsängste hat. Aber dies geht mit nationalistischen und ausländerfeindlichen Einstellungen einher, die auch schon vor der Gründung der AfD bei einem Teil der Bevölkerung vorhanden waren. Die Annahme, dass eine bessere Sozialpolitik und ein höheres Lohnniveau bereits die zentralen Instrumente sein könnten, um der AfD das Wasser abzugraben, ist nicht nur zu optimistisch, auch die Analyse greift zu kurz.
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Mit der Diagnose, dass Sparhaushalte, soziale Unsicherheit und Abstiegsängste rechte Weltanschauungen befördern, lässt sich nicht die Frage beantworten, warum es rechte und nicht etwa linke Auffassungen sind, die davon profitieren. Ein Grund dafür dürfte darin bestehen, dass die Rechten etwas anbieten, das den Menschen vertraut ist: das nationale »Wir«. Die bürgerliche Mitte lebt es vor. Stets geht es um »unsere Wirtschaft«, »unser Land«, »Deutschlands Wohlstand«. Besonders deutlich wird dies in den Debatten über internationale Wettbewerbsfähigkeit, wenn es immer wieder heißt, »wir« müssen oder »Deutschland« muss wettbewerbsfähiger werden. Damit wird unterstellt, dass die Nation eine harmonische Interessengemeinschaft ist. An dieses nationale Framing der bürgerlichen Mitte kann das rechte Gedankengut problemlos andocken.
Eine Linke, die sich eine »antifaschistische« Wirtschaftspolitik auf die Fahnen schreibt, muss sich von diesem nationalen »Wir« verabschieden. Es ist nicht nur anschlussfähig für rechte Ideologien, es überdeckt vor allem die Klassengegensätze: Die große Mehrheit ist von Lohnarbeit abhängig, während eine Minderheit maßgeblich darüber bestimmt, wie hoch der Lohn ist, zu welchen Bedingungen und zu welchem Zweck gearbeitet wird. Das nationale »Wir« verdeckt, dass der enorme Reichtum der Wenigen durch die Arbeit der Vielen entsteht. Zwar wissen Linke, dass »unserer Wirtschaft« ein Klassenverhältnis zugrunde liegt. In den konkreten wirtschaftspolitischen Debatten bleibt diese Erkenntnis aber allzu oft folgenlos.
Wenn beispielsweise von links für Lohnerhöhungen plädiert wird, weil sie die gesamtwirtschaftliche Nachfrage stabilisieren – die höheren Löhne also nicht allein den Lohnabhängigen, sondern »unserer« Wirtschaft insgesamt zugutekommen –, verbleibt man innerhalb der harmonischen Vorstellung des »Wir«. Zwar wird gesehen, dass es innerhalb dieses »Wir« verschiedene Gruppen gibt, die in unterschiedlicher Weise am Ergebnis beteiligt werden. Die einen bekommen ihren Lohn, die anderen Profit und eine dritte Gruppe Zinsen für geliehenes Kapital. Aber die Illusion bleibt bestehen, es gäbe eine »gerechte« Verteilung, bei der »unsere« Wirtschaft wieder in Schwung kommen würde. Doch ein solcher gerechter Zustand existiert nicht, es gibt nur den Kampf um diese Anteile. Klassenkampf hieß das früher einmal.
Zu kurz gegriffen
Wenn Linke beklagen, die deutsche Industrie habe die ökologische Wende verschlafen, wird als quasi natürlicher Zustand akzeptiert, dass die einzelnen Unternehmen auf dem Weltmarkt konkurrieren und dass Nationalstaaten versuchen, ihr Territorium zu einem bevorzugten Standort für Investitionen zu machen. Bei dieser Kritik an der verschlafenen deutschen Industrie steht nicht die Nützlichkeit ökologisch sinnvoller Produkte im Mittelpunkt; vielmehr wird implizit beklagt, dass diese Produkte nicht von der deutschen, sondern etwa von der chinesischen Industrie produziert werden.
Mit dem nationalen »Wir« wird unterstellt, dass die Nation eine harmonische Interessengemeinschaft ist.
Aber nicht nur die Identifizierung mit Deutschland als nationaler Interessengemeinschaft steckt implizit in solchen linken wirtschaftspolitischen Diskursen. Häufig werden dabei auch die kapitalistischen Verhältnisse ausgeblendet, wie etwa in der Kritik am neoliberalen Konzept, Unternehmenssteuern zu senken, um dadurch Investitionen anzukurbeln. Dem wird häufig von linken Ökonomen entgegengehalten, dass die Steuersenkungen zwar zu einer Erhöhung der Profite führen. Es sei aber nicht gewährleistet, dass diese Profite dann auch tatsächlich investiert würden. Das ist zwar eine zutreffende Kritik an der Effizienz der Maßnahme. Damit wird aber weder infrage gestellt, dass Unternehmer die Verfügungsgewalt über Investitionen haben und diese noch mehr Profit bringen sollen, noch dass die Lohnabhängigen in einer völlig untergeordneten Stellung verbleiben.
Auch die Kritik an den »Superreichen« droht aus den Augen zu verlieren, dass nicht deren Reichtum das grundlegende Problem ist, sondern die sozialen und ökonomischen Bedingungen, die diese Konzentration des Reichtums überhaupt erst ermöglichen. Diese Konzentration ist weder zufällig noch das Resultat einer »verfehlten« Politik. Es sind die kapitalistischen Produktionsverhältnisse selbst, die zu dieser Konzentration des Reichtums führen. Die Forderung »Milliardäre abschaffen« klingt sympathisch, aber die Milliardäre wachsen nach.
Sofortmaßnahmen mit Perspektive
Das alles heißt nicht, dass eine linke Wirtschaftspolitik gar nicht möglich wäre. Sofortmaßnahmen sollten die Schäden, die die kapitalistische Produktionsweise an Mensch und Natur anrichtet, begrenzen. Gleichzeitig sollten sie aber in ein längerfristiges Konzept zur Überwindung des Kapitalismus eingebettet sein. So kann etwa ein effektiver Mietendeckel den aktuellen Mietenwahnsinn kurzfristig etwas bremsen. Längerfristig ist aber die Vergesellschaftung der großen Immobilienunternehmen nötig, wofür sich in Berlin 59 Prozent der Wähler*innen in einem Referendum ausgesprochen haben.
Ein weiteres Beispiel: Für die lohnabhängige Mehrheit ist der Verlust des Arbeitsplatzes eine Katastrophe. Um angeschlagene Unternehmen zu erhalten oder die Ansiedlung neuer Unternehmen zu fördern, pumpt der Staat Milliardenbeträge in den Unternehmenssektor. Während es bei jedem Aktienkauf selbstverständlich ist, dass der Käufer Stimmrechte in der Aktionärsversammlung erhält, sind staatliche Subventionen mit keinen Eingriffsrechten verbunden. Solche Zahlungen sollten künftig nur gewährt werden, wenn der Einfluss der Beschäftigten wie auch der Zivilgesellschaft auf das jeweilige Unternehmen gestärkt wird. Längerfristig sollten nicht nur Immobilienunternehmen, sondern auch weitere für das Leben der Mehrheit zentrale Unternehmen vergesellschaftet werden.
Auf internationaler Ebene sollte es nicht das Ziel sein, blindlings in der Weltmarktkonkurrenz zu gewinnen, was eben heißt, andere zu ruinieren. Auch dort muss es darum gehen, die durch die kapitalistische Produktionsweise angerichteten Schäden zu begrenzen. Dazu müssen die internationale Konkurrenz und der Nationalismus überwunden werden. Das wäre dann »antifaschistische Wirtschaftspolitik«.
Sabine Nuss ist Journalistin und Politologin. Sie schreibt, spricht und podcastet zu den Themen Eigentum, Vergesellschaftung und das Kapital. Mehr über ihre Arbeit unter: sabinenuss.de
Michael Heinrich war in Berlin Professor für Volkswirtschaftslehre und publizierte mehrere Bücher zu Karl Marx.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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