Trump steigt aus, Paris brennt

Über den Ausstieg der USA aus dem Klimaschutzabkommen und den politischen Konflikt, der eigentlich dahinter steht

  • James P. Hare, New York
  • Lesedauer: 8 Min.

Mit seiner Entscheidung, aus dem Pariser Klimaschutzabkommen in aller Form auszusteigen, hat Trump langen Monaten scheinbarer Unentschlossenheit ein Ende gemacht. Zwar hebt sein Rückzug das Abkommen, das ja nach wie vor fast alle Länder dieser Erde umfasst, nicht auf – schwer vorstellbar allerdings, dass ein ohnehin schwacher Vertrag ohne die Teilnahme der Vereinigten Staaten die Zunahme der Treibhausgasemissionen abbremsen kann, von einer Umkehr der Erderwärmung ganz zu schweigen. Kurz: Wer Trumps Entscheidung nicht als Sargnagel für das globale Klimaregime begreift, macht sich wohl nur etwas vor.

Selbst angesichts einer schon jetzt endlos erscheinenden Serie politischer Fehlentscheidungen – in Sachen Krankenversicherung, Einwanderung oder Militarismus bis hin zur anhaltenden Wohlstandsumverteilung von unten nach oben – könnte diese die folgenschwerste der neuen Regierung sein. Vielleicht werden künftige Generationen im Rückblick auf den von Trump angerichteten Schaden den Ausstieg aus dem Klimaabkommen als sein größtes Verbrechen einstufen. Das heißt keineswegs, die schädlichen Folgen seiner sonstigen Politik oder des Rassismus, der Fremden- und Frauenfeindlichkeit zu unterschätzen, die sein Wahlkampf geschürt hat und die ihn ins Weiße Haus trugen, aber der Klimawandel ist schlichtweg die Frage aller Fragen. Er trifft jede und jeden und spitzt zudem alle bestehenden Ungerechtigkeiten noch weiter zu. Dabei haben wir nur eine einzige Chance, ihn zu korrigieren.

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DR. JAMES HARE hat hat Südasiatische Religion an der New School und der New York University gelehrt und ist derzeit Projektmanager Vereinte Nationen bei der Rosa Luxemburg Stiftung in NY. Auf deren Website erschien dieser Beitrag zuerst.

Kernstück von America-First

Trumps Entscheidung kommt allerdings nicht überraschend. Im Wahlkampf hatte er wieder und wieder versprochen, er werde von dem Pariser Abkommen abrücken. Es handelt sich um ein Kernstück seiner America-first-Agenda, welche die Verheißung neuer Arbeitsplätze im Inland gegen Umweltschutz und internationale Zusammenarbeit ausspielt. Trumps gefährliche Melange aus Nationalismus und Leugnung der Klimakrise ist entschieden abzulehnen. Es kommt aber zugleich darauf an, keine Illusionen darüber zu nähren, worum es bei so manchem, was als internationale Kooperation verklärt wird, in Wahrheit geht. So genannte Handelsabkommen etwa haben Konzerne und Superreiche auf Kosten arbeitender Menschen sowohl in den Vereinigten Staaten selbst als auch im Ausland begünstigt.

Folgt man Trumps nativistischer Argumentation vom »bad deal«, sind die USA in den NAFTA-Verhandlungen von Mexiko über den Tisch gezogen worden. Tatsächlich aber haben die Herrschenden sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Mexiko und Kanada ein gutes Geschäft gemacht – auf Kosten der einfachen Bürgerinnen und Bürger aller drei Länder. Den arbeitenden Menschen ist allerdings durchaus klar, wie sehr NAFTA ihre Arbeitsplätze und ihre Communitys schädigt. Trumps Attacken auf Handelsabkommen könnten ihm also wirklich geholfen haben, in wahlentscheidenden Bundesstaaten (den »swing states«) genügend Arbeitnehmerstimmen zu gewinnen, um die elektorale Geographie zu seinen Gunsten zu kippen. Andererseits wurde das Ausmaß der Unterstützung, die er in der Arbeiterschaft gefunden hat, von etablierten Kommentatoren erheblich übertrieben.

Zwei schlechte Pfade

Trotz seines klaren Wahlkampfversprechens, vom Klimaschutzabkommen abzurücken, hat Trump vor der Entscheidung monatelang hin und her manövriert. Nach seiner Amtsübernahme drängten mächtige Interessengruppen darauf, an den Pariser Vereinbarungen festzuhalten. Auf den ersten Blick könnte man das für eine Folge des mäßigenden Einflusses halten, den Ivanka Trump angeblich auf ihren Vater ausübt. Gibt es möglicherweise eine freundlichere, behutsamere Version des Trumpismus, die weiß, dass »America zuerst« nicht notwendigerweise heißen muss, die Umwelt hintanzusetzen? Leider nein. Zwar raten unzählige Stimmen dazu, dass die Vereinigten Staaten am Pariser Abkommen festhalten. Aber glaubt irgendwer, dass Umweltgruppen, europäische Politiker oder die Demokraten im Kongress Trump veranlassen werden, seine Einstellung zu überdenken?

Sicher, wenn ExxonMobil, der Außenminister (und frühere CEO von ExxonMobil) Rex Tillerson und Energieminister Rick Perry empfehlen, an dem Abkommen festzuhalten, können wir davon ausgehen, dass Trump deren Sichtweise in Betracht zieht. Schließlich unterstützen diese Trump-Verbündeten durchaus dessen Pläne, Umweltschutzmaßnahmen abzubauen. Ihnen ist allerdings klar, dass sie, wenn sie in der Pariser Runde verbleiben und auf Nachverhandlungen pochen, das Abkommen von innen heraus aushöhlen können, ohne die diplomatischen Nachteile eines förmlichen Ausstiegs in Kauf nehmen zu müssen.

Trump hat also nicht etwa zwischen einer klimafreundlichen und einer klimafeindlichen Agenda geschwankt. Unschlüssig war er allenfalls eine Zeit lang darüber, welches die beste Strategie zum Abbau der Umweltschutzmaßnahmen sei. Dass er sämtliche Maßnahmen dieser Art aus der Obama-Ära abschaffen will, hat Trump mehr als klar gemacht. Sein Vorstoß, Obamas Clean Power Plan (vom 3. August 2015) zu widerrufen, belegt eindeutig: Eine Trump-Administration denkt gar nicht daran, die in Paris eingegangenen Verpflichtungen einzuhalten.

Doch vor die Wahl zwischen zwei schlechten Pfaden gestellt, hat Trump, wie schon bei so vielen Entscheidungen der neuen Regierung, den eindeutig schlechteren eingeschlagen. Dass die Vereinigten Staaten bocken und internationale Verpflichtungen nicht einhalten, ist an sich nichts Neues. Diesmal allerdings dürften viele Länder das amerikanische Verhalten zum Vorwand dafür nehmen, ihrerseits ebenfalls aus dem Abkommen auszusteigen. Wie provisorisch der in Paris erzielte Konsens auch sein mag – ihn aufzubrechen wird unabsehbare Folgen haben, auch dann noch, wenn Trump schon längst nicht mehr im Weißen Haus sitzt.

Andere internationale Abkommen werden durch diesen Bruch ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen. Wenn die Vereinigten Staaten Hals über Kopf aus einem Vertrag aussteigen, der das Ergebnis jahrzehntelanger Arbeit ist, bewirkt das einen enormen Vertrauensverlust. Dieser unterminiert die bestehende Weltordnung und beschädigt alle Aussichten auf künftige multilaterale Abmachungen.

Eine Agenda des Schlimmer-als-garnichts

Die Entscheidung, das Pariser Abkommen aufzukündigen, ist zweifellos ein Desaster. Wir sollten allerdings nicht so töricht sein zu glauben, dieses Abkommen reiche auch nur im Entferntesten dazu aus, die Klimakrise zu bewältigen. Selbst wenn sie vollständig umgesetzt würden, könnten die Verpflichtungen, die die Teilnehmerstaaten jeweils übernommen haben, lediglich eine Verlangsamung des Zuwachses an Treibhausgas-Emissionen bewirken, aber keinerlei Reduktion, schon gar nicht auf das von der Wissenschaft geforderte Niveau.

Darüber hinaus werden die vom Pariser Abkommen bevorzugten Verfahren – etwa im Emissionshandel – die private Kontrolle des Energiesektors vertiefen und den Zugriff des Marktes ausweiten. Das erschwert die Durchsetzung der Veränderungen im öffentlichen Sektor, deren es bedarf, um einen Energiewandel zu fördern, der nicht auf dem Rücken der Arbeitnehmer, rassistisch definierter Minderheiten, von Frauen und anderen verletzlichen Gruppen erfolgt.

Machen wir uns also nicht mit der sonst so selbstgefälligen globalen Elite in ihrer Trauer um diese zweifelhafte Errungenschaft gemein. Doch immerhin war diese besser als gar nichts, was in gewöhnlichen Zeiten kein großes Lob wäre, aber wir leben nicht in gewöhnlichen Zeiten.

Trump verheißt eine Agenda des Schlimmer-als-garnichts. Genügt nicht schon ein Blick auf Scott Pruitt, den neuen Chef der US-Umweltschutzbehörde EPA, um zu sehen, was uns in Sachen Klima- und Umweltschutzmaßnahmen blüht? Dieser Mann hat als Justizminister von Oklahoma die Umweltschutzabteilung seines Hauses aufgelöst und seine ministerielle Macht hartnäckig dazu eingesetzt, die EPA und Umweltschutzregelungen generell auf der ganzen Linie zu bekämpfen. Sollte es da überraschen, dass er im Lauf der Jahre enorme Wahlkampfgelder der Öl- und Gaswirtschaft für sich einwerben konnte? Pruitt als Chef der Umweltbehörde? Hier wurde eindeutig der Bock zum Gärtner gemacht.

Das Pariser Abkommen steht wie der Clean Power Plan und andere von der Obama-Administration getroffene Umweltschutzmaßnahmen – die von einer Clinton-Administration vermutlich übernommen worden wären – sicherlich nicht für eine radikale Agenda. Wie schon gesagt reichen diese Maßnahmen vielmehr zur Bewältigung der Krise keineswegs aus. Obendrein würden viele Unternehmen (darunter ganze Wirtschaftszweige) und vorbehaltslos prokapitalistische Weltpolitiker (vom chinesischen Präsidenten Xi Jinping bis zur deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel) solche Maßnahmen – ja sogar deutlich größere Schritte zum Übergang in eine von Kohlenstoff weitgehend unabhängige Zukunft – unterstützen.

Trump als Vertreter der extremsten Kapitalisten

Der Konflikt, dessen Zeuge wir hier werden, spielt sich innerhalb der Kapitalistenklasse ab, wobei die gierigsten Angehörigen dieser Klasse – darunter in vorderster Linie diejenigen, deren Geschäfte sich um fossile Brennstoffe drehen – in Opposition zu »progressiveren« Kapitalisten stehen, etwa denen im Technologiesektor. Trump ist offenkundig zum Sprachrohr der bösartigsten und extremsten Kapitalisten geworden, die auf einen radikal extraktivistischen und autoritären Neoliberalismus zusteuern. Clinton, Obama und deren Verbündete repräsentieren die progressivere Seite des Neoliberalismus, die einen grünen Kapitalismus anstrebt. So oder so keine gute Wahl, gewiss, aber tun wir nicht so, als seien beide gleich schlimm.

Der Wandel, den wir brauchen, wird nicht von den Politikern ausgehen. In Sachen Klima – wie in so vielen anderen Fällen – erfordert der Widerstand gegen Trumps Agenda etwas anderes. So bildet sich gerade eine Klimagerechtigkeitsbewegung heraus, die darauf drängt, insbesondere die vom Klimawandel am stärksten Betroffenen zu unterstützen. Sie führt Gruppen, die in vorderster Front Widerstand leisten, mit Ureinwohnern, Umweltschützern, Gewerkschaften und vielen anderen Kräften zusammen. Initiativen wie die Gewerkschaften für Energiedemokratie (Trade Unions for Energy Democracy) beispielsweise haben eine weltweite Gemeinschaft von Gewerkschaftsführern gebildet, die auf die Förderung echter Lösungen für Klimafragen hinarbeiten, solcher nämlich, die Ausdruck demokratischer Willensbildung und gemeinwohlorientiert sind. Von der Rekommunalisierung lokaler Energieversorgungsnetze bis hin zur Blockade neuer Infrastrukturen für fossile Brennstoffe – die Möglichkeiten, aktiv zu werden, sind schier unbegrenzt.

Der Schaden, den Trump anrichtet, darf wahrlich nicht unterschätzt werden. Doch wer auch immer Präsident der Vereinigten Staaten ist und was auch immer in den Vereinten Nationen an globalen Abkommen zur Debatte steht – in jedem Fall müssen müssen wir eine Bewegung schaffen, die groß genug, kreativ genug und radikal genug ist, um nicht ignoriert werden zu können. Wie der People’s Climate March postulierte: »To change everything, we need everyone«, »Um alles zu ändern, brauchen wir alle.«

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