Inventur in Uruguay
Die Gauchos wollen ihre Bräuche als Kulturerbe anerkennen lassen
Sie sind keine Ethnie und auch kein Volksstamm, und doch einen alte Traditionen die Gauchos in Argentinien, Uruguay und dem Süden Brasiliens. Ursprünglich Viehhirten in der Pampa, der subtropischen Grassteppe im südöstlichen Südamerika, spielten sie bei der europäischen Besiedlung im 19. Jahrhundert eine wichtige Rolle. Ihre Nachfahren und Anhänger pflegen das kulturelle Erbe mit einer Vielzahl von Festen. Nun wollen die Gauchos ihr Brauchtum von der UNESCO als Immaterielles Kulturerbe anerkennen lassen.
Die Initiative steht allerdings noch am Anfang. Für das Gesuch vor der UNESCO macht Uruguay derzeit »Inventur«, eine Art Bestandsaufnahme des Gaucho-Daseins und seiner Traditionen, wie Carlos Salveraglio von der Gruppe »Elías Regules« erklärt. Die vom gleichnamigen Mediziner und Politiker im späten 19. Jahrhundert unter dem Namen »La Criolla« gegründete Organisation ist eine der einflussreichsten in dem Internationalen Verband der Gaucho-Traditionen (CITG). Ihm gehören Gruppen aus allen drei Ländern an. Von dem Verband geht der Impuls aus, die Gaucho-Traditionen auf die Liste des Immateriellen Kulturerbes der UNESCO setzen zu lassen.
Auf nationaler Ebene gab es für die Initiatoren bereits den ersten Erfolg: Uruguay erklärte im März die Figur des Gauchos und sein Brauchtum zum Nationalen Kulturerbe. Auch Brasilien und Argentinien erwägen einen solchen Schritt. Nun hoffen die Uruguayer, dass sich beide Länder auch dem Antrag vor der UNESCO anschließen werden.
Den Sprung in die UNESCO-Liste schafften unter anderem bereits der Tango, die Tibetische Oper, die Magna Charta von Mali als älteste Verfassung der Welt oder auch die belgische Bierbraukultur. In der deutschen Liste der UNESCO tauchen unter anderem die Lausitzer Sorben mit ihren Bräuchen und Festen auf.
Die berittenen Viehhüter - quasi der südamerikanische Cowboy - waren das Resultat einer Verschmelzung verschiedener Ethnien von Ureinwohnern über die ersten spanischen Konquistadoren bis hin zu Migranten aus Europa und anderen Gefilden. Sie kamen auf nach einer Einwanderungswelle Anfang des 19. Jahrhunderts, die vor allem viele Italiener nach Südamerika brachte. Statt Hut trugen und tragen sie oftmals auch eine Art Baskenmütze, die sogenannte Boina. »Das Vaterland entstand auf dem (Rücken) der Pferde« lautet ein Sprichwort, mit dem in Uruguay die historische Figur des Gauchos gewürdigt wird.
Das Pferd spielt auch eine wichtige Rolle bei den zahlreichen Gaucho-Festen, den »Fiestas Criollas«. In Wettbewerben stellen die Gauchos dabei ihre Reitkünste unter Beweis. Auch Prozessionen zu Ehren der Jungfrau Maria gehören mancherorts wie etwa in Dolores nahe der argentinischen Grenze dazu, ebenso ein saftiger Braten zum Abschluss der Feierlichkeiten sowie Musik und Kunsthandwerk.
Die Herkunft der nach Lagerfeuerromantik und rauen Abenteurern klingenden Bezeichnung geht auf einen Ausdruck aus dem Quechua, einer Sprache der Ureinwohner Südamerikas, zurück. »Huachu« bedeutete für sie Waise oder Vagabund, denn in seinen Anfängen führte dieser Bewohner der unendlich scheinenden Pampas ein unstetes und manchmal banditenhaftes Leben. Die europäischen Siedler änderten diesen Begriff schließlich zum heutigen »Gaucho« in Uruguay und Argentinien sowie dem »gaúcho« oder »gauderio« im südbrasilianischen Staat Rio Grande do Sul.
Wilde Gauchos wie in den Ursprüngen gibt es heutzutage nicht mehr - doch fühlen sich völlig in die Gesellschaft integrierte Menschen vom Arbeiter über den Künstler bis hin zum Unternehmer von deren alten Bräuchen angezogen. Einige kleiden sich sogar im Alltag mit den typischen weiten Beinkleidern, Hut oder Boina und Stiefeln. Vor allem unter den Jüngeren scheint das Interesse besonders groß. Tausende schlossen sich den verschiedenen Gaucho-Gruppen in jüngerer Vergangenheit an, genaue Zahlen gibt es nicht.
Allerdings goutiert der heutige Gaucho nicht alles, was in wilderen Zeiten in »Mode« war. Dazu gehörte etwa der Versuch, auf einem Fohlen zu reiten und es in wenigen Sekunden zu besänftigen, was auch heutzutage auf so mancher Fiesta zu sehen ist. Doch mahnen Tierschützer, dass die Tiere dabei unnötiger Quälerei ausgesetzt werden. dpa/nd
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