Junge Rapper für Corbyn
Für den Ausgang der Wahl in Großbritannien wird entscheidend sein, wie viele jungen Briten an die Urne gehen.
London. Zu einem guten Teil ist die erstaunliche Aufholjagd Labours in den Umfragen der Unterstützung jüngerer Wähler zu verdanken: Laut einer Umfrage für die »Sunday Times« vom vorletzten Wochenende würden knapp 70 Prozent der 18- bis 24-Jährigen für Labour stimmen, und nur 12 Prozent für die Konservativen. Allerdings ist diese Altersgruppe weit weniger gewissenhaft, wenn es darum geht, am Donnerstag ins Wahllokal zu gehen: Nur 57 Prozent sind sich sicher, dass sie von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen werden, während es bei den über 60-Jährigen 75 Prozent sind.
Für den Ausgang der Wahl wird es deshalb entscheidend sein, wie viele der jungen Briten sich an ihr beteiligen. Parteichef Jeremy Corbyn ist sich dieser Tatsache bewusst. Er hat in den letzten Wochen versucht, junge Wähler für Labour zu begeistern, etwa über den Kontakt zu einer der bekanntesten britischen Musikszenen: Grime.
Dieser Musikstil, der Elemente elektronischer Musik, Jungle und Hip-Hop verbindet, entstand in den frühen 2000er-Jahren in den Gemeindesiedlungen Londons. Viele Grime-Musiker sind Briten afro-karibischer Herkunft, und ihre Songs haben zuweilen einen explizit politischen Inhalt: Sie erzählen von rassistischer Diskriminierung, Armut und den schwierigen Lebensumständen der urbanen Arbeiterschicht. Von der offiziellen Politik fühlen sich diese Jungs vernachlässigt. Das Verhältnis zur Labour-Partei ist von Misstrauen geprägt, besonders seit dem Irak-Krieg. Corbyn hingegen war ein vehementer Gegner der Invasion von 2003 . Deshalb und weil er Basisbewegungen und Bürgerkampagnen in den Mittelpunkt seiner politischen Aktivitäten stellte, vermag er diese jungen Leuten viel direkter anzusprechen.
Eine ganze Reihe von Grime-Künstlern hat ihm denn auch seine Unterstützung zugesagt: Die Londoner Musiker AJ Tracey, JME und Novelist haben für Corbyn Partei ergriffen, und der 23-jährige Stormzy, dessen Album »Gang Signs & Prayer« vor wenigen Monaten als erste Grime-Platte auf den ersten Platz in den Charts kletterte, sagte im Mai letzten Jahres: »Darum mag ich Jeremy: Ich habe das Gefühl, dass er versteht, was ethnische Minderheiten, Obdachlose und die Working Class durchmachen.«
Ähnlich drückte sich auch der 32-jährige JME aus, als er vor drei Wochen lange mit dem Labour-Chef sprach: Er habe noch nie in seinem Leben abgestimmt, aber in Corbyn sehe er endlich jemanden, »dem wir vielleicht vertrauen können, der menschlich ist.« Grime-Musiker und -Fans haben sogar eine eigene Kampagne gegründet, Grime4Corbyn, die dem 68-jährigen Labour-Chef zum Sieg verhelfen will.
Weitere Promis aus der britischen Kulturszene haben sich öffentlich für Labour ausgesprochen, darunter die Musik-Legenden Brian Eno und Paul Weller. Demgegenüber müssen sich die Tories mit einer weit kürzeren und weniger illustren Liste von prominenten Fans zufriedengeben.
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