Ein wenig mehr ist zu wenig

Rentenpläne der SPD bleiben hinter Forderungen der Sozialverbände zurück

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.

Die SPD eröffnet den Rentenwahlkampf, doch die Union steigt nicht mit ein. Nachdem die Sozialdemokraten am Mittwoch ihr Rentenkonzept vorgestellt hatten, machte der CDU-Generalsekretär nun deutlich, dass seine Partei kein eigenes Rentenkonzept für den Wahlkampf vorlegen werde. »Bis 2030 ist die Rente solide aufgestellt. Alles Weitere sollten wir jenseits des Parteiengeplänkels in Ruhe und fundiert mit den gesellschaftlichen Gruppen diskutieren - beispielsweise in einer Rentenkommission«, sagte Peter Tauber der »Saarbrücker Zeitung«. Die SPD möchte aber nicht bis 2030 warten, weil das Rentenniveau dann auf 43 Prozent gesunken sein könnte. Stattdessen sieht ihr Konzept eine »doppelte Haltelinie« vor. Demnach soll das Rentenniveau, das das Verhältnis zwischen durchschnittlichem Lohn und Rente bestimmt, nicht unter 48 Prozent fallen. Die Beiträge will man bei 22 Prozent deckeln. Zudem soll es eine Solidarrente für Niedriglöhner geben. Um das zu finanzieren, will die SPD unter anderem rund drei Millionen Selbstständige ohne Altersabsicherung in die gesetzliche Rentenversicherung aufnehmen. Wenn die Generation der Babyboomer ab 2028 in den Ruhestand geht, ist laut Konzept ein zusätzlicher Zuschuss aus der Steuerkasse von rund 14,5 Milliarden Euro nötig. Tendenz steigend.

Damit vollziehen die Sozialdemokraten eine Kehrtwende in der Rentenpolitik. Viele Jahre peitschte die SPD-Führung ihre ungeliebten Rentenreformen durch und führte dabei immer wieder die steigenden Kosten ins Feld. Nun ist alles anders: »Die verlässliche Rente ist uns etwas wert«, erklärte SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz am Donnerstag gegenüber den »Ruhr Nachrichten«.

Vertreter des linken Parteiflügels wollen sich aber mit einem Rentenniveau von nur 48 Prozent nicht abfinden. Der Vorsitzende des SPD-Arbeitnehmerflügels, Klaus Barthel, forderte in den Zeitungen der Funke Mediengruppe, das Rentenniveau wieder auf 50 Prozent anzuheben. Dies sei »von großer symbolischer Bedeutung«. Der SPD-Arbeitnehmerflügel werde versuchen, diese Forderung auf dem Parteitag Ende Juni durchzusetzen.

Sozialverbände drängen seit längerem darauf, das Renteniveau wieder anzuheben. Nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung beträgt das Standardrentenniveau in den alten Ländern derzeit 48,2 Prozent. In den kommenden Jahren soll es aber weiter zurückgefahren werden. Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Ulrich Schneider, plädierte im Gespräch mit dieser Zeitung dafür, das Niveau auf jene 53 Prozent anzuheben, die vor der Privatisierung der Altersvorsorge gegolten hätten. In den frühen 90ern lag das Niveau sogar bei 55 Prozent.

Das Ganze wäre nicht zum Nulltarif zu haben. Schneider selbst rechnet »mit Mehrkosten von rund 50 Milliarden Euro, mit denen eine Stabilisierung des Rentenniveaus auf 50 oder 53 Prozent zu Buche schlagen würde«. Bei einem Bruttoinlandsprodukt von über drei Billionen Euro und einem Sozialbudget von weit über 800 Milliarden Euro pro Jahr sei das aber machbar, so Schneider. Auch der Präsident des Sozialverbands SoVD, Adolf Bauer, sprach sich am Donnerstag für ein höheres Renteniveau aus. In den Kernforderungen seines Verbandes zur Bundestagswahl heißt es unmissverständlich: »Die Kürzungsfaktoren in der Rentenanpassungsformel sind zu streichen und das Rentenniveau schrittweise wieder auf das lebensstandardsichernde Niveau von 53 Prozent anzuheben.«

Ostdeutschlands größter Sozialverband, die Volkssolidarität, drängt ebenfalls auf »eine schrittweise Anhebung des Rentenniveaus auf 53 Prozent«.

Obwohl das Konzept der SPD weit dahinter zurück bleibt, sieht man bei der Union eine rote Linie überschritten. Der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrats, Wolfgang Steiger, warf dem Koalitionspartner gar »einen Rentenanschlag auf die Jungen« vor und zugleich »reine Panikmache« mit Blick auf die Altersbezüge der Älteren. Steiger verlangte zudem, bei steigender Rentenbezugsdauer und weniger Beitragszahlern müssten »die Menschen in Zukunft auch über das 67. Lebensjahr hinaus arbeiten«.

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