Wien will weiter nach Kabul abschieben
Österreichs Grüne bei Forderung nach Aussetzung der zwangsweisen Rückführung ohne Unterstützung
Just an dem Tag, als Kabul vor knapp zwei Wochen vom verheerendsten Terroranschlag seit Jahren erschüttert wurde, starteten am Flughafen Wien-Schwechat 17 Afghanen zum unfreiwilligen Flug in die afghanische Hauptstadt. Die abgelehnten Asylbewerber wurden im Zuge einer von Schweden unter Koordination der EU-Grenzschutzagentur Frontex durchgeführten Aktion rückverfrachtet.
Einer der Afghanen leistete derart massiven Widerstand, dass er nur gefesselt ans Ziel gebracht werden konnte. Der Aufwand war auch sonst beträchtlich: Nicht weniger als 34 Polizisten, medizinisches Personal sowie ein unabhängiger Menschenrechtsbeobachter begleiteten die 17 auf ihrer Heimreise.
Seither tobt in Österreich ein Streit darüber, ob es menschenrechtlich vertretbar sei, Afghanen in ein Land abzuschieben, in dem Gewalt Alltag ist. Nichtregierungsorganisationen und die Grünen fordern einen Abschiebestopp. »Wie kann es sein, dass trotz Tausender Anschlagsopfer in den letzten Monaten Menschen weiterhin nach Afghanistan abgeschoben werden?«, fragt die grüne Menschenrechtssprecherin Alev Korun.
Die Antwort des von der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) geführten Innenministeriums ist klar: Ein genereller Abschiebestopp kommt nicht in Frage. Auch dass Deutschland einen solchen angeordnet hat, änderte nichts an der Haltung Wiens. Diese ist allerdings gar nicht so anders als die Berlins. Auch Österreich schiebt nicht jeden abgelehnten Asylwerber aus Afghanistan sofort ab. Dass ausgerechnet am 31. Mai, dem Tag des Kabuler Anschlages mit mehr als 90 Toten, gleich 17 Afghanen abgeschoben wurden, war ein Zufall.
Insgesamt wurden seit Jahresbeginn nur 54 Afghanen unter Zwang ins Herkunftsland verfrachtet. 102 Afghanen waren sogar freiwillig ausgereist, 168 wurden aufgrund der Dublin-Regeln in einen anderen EU-Staat überstellt. Im ganzen Jahr 2016 waren überhaupt nur zwei Afghanen zwangsweise in ihre Heimat zurückgeschickt worden. Dem standen 11 742 Asylanträge aus dem Land am Hindukusch gegenüber.
Das Innenministerium will auch in Zukunft am Prinzip der Einzelfallprüfung festhalten. Man verweist darauf, dass auch der deutsche Abschiebestopp kein generelles Aus für Abschiebungen bedeutet: Die Rückverfrachtung von Straftätern und Gefährdern ist weiterhin »auf Basis einer Einzelfallprüfung« möglich, wie Kanzlerin Angela Merkel bei der Verkündung des vorläufigen Abschiebestopps betont hatte. Die Grünen wollen am heutigen Mittwoch trotzdem im Nationalrat einen Antrag einbringen, der die rot-schwarze Regierung auffordert, »einen sofortigen Abschiebestopp nach Afghanistan zu verhängen«.
Der Antrag hat freilich keine Chance, angenommen zu werden. Schon gar nicht vier Monate vor der Wahl, in der das Ausländerthema eine große Rolle spielen wird. Die Sozialdemokraten von Bundeskanzler Christian Kern werden der rechten Konkurrenz von der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) keine offene Flanke bieten bzw. der Koalitionspartnerin ÖVP die Rolle des Hardliners in Asylfragen überlassen wollen. Auch die Liberalen von Das Neue Österreich wollen sich den Grünen nicht anschließen. Und dass die FPÖ nicht mit den Grünen stimmen wird, bedarf wohl keiner Erwähnung.
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