Alles sicher und pünktlich?
AirBerlin-Chef fantasiert auf Hauptversammlung
Thomas Winkelmann, der Chef der Fluggesellschaft AirBerlin, muss etwas LSD-artiges genommen haben. Bei der am Donnerstag in London veranstalteten Hauptversammlung sagte er: »Air Berlin ist wieder eine sichere, pünktliche und zuverlässige Fluggesellschaft.« Seit dem 1. Juni sei der Flugplan wieder stabil, die Pünktlichkeit betrage 80 Prozent, Streichungen gebe es nur aus technischen Gründen.
Rein rechnerisch hat jeder der 8000 Winkelmann-Mitarbeiter im vergangenen Jahr 100 000 Euro Verlust gemacht. Die Airline schrieb seit ihrer ehrgeizigen Gründung 1978 - mit einer winzigen Ausnahme 2012 - rote Zahlen. Sanierungsprogramme und Strategiewechsel fruchteten nicht. Inzwischen liegen die Schulden bei 1,2 Milliarden Euro. Dass AirBerlin überhaupt noch fliegt, ist Verdienst des arabischen Großaktionärs Etihad. Und noch mehr das der duldsamen Belegschaft.
Vor wenigen Tagen hat die Gesellschaft bei den Ländern Berlin und Nordrhein-Westfalen einen Antrag auf staatliche Unterstützung gestellt. Auch im Bundeswirtschaftsministerium brütet man darüber, ob man für die Rückzahlung von Krediten bürgen soll. Und was denken die Beschäftigten? Ein Teil der Belegschaft hofft auf einen edlen Ritter der Lüfte mit großen Herz und noch größerem Scheckbuch, der mehr als nur die nächste Tankrechnung bezahlt. Andere AirBerliner setzen auf die Lufthansa. Sie soll die Fluglinie weiterbetreiben.
Für die erste Variante spricht nichts, für die zweite viel. Vor allem die Angst von Lufthansa vor der Billigfliegerkonkurrenz. Geht AirBerlin unkontrolliert krachen, könnten sich Low-Cost-Carrier wie Ryanair und Easyjet weiter auf dem deutschen Markt ausbreiten. Für eine Übernahme durch Lufthansa spricht auch, dass AirBerlin über eine beträchtliche Anzahl von Landerechten, sogenannten Slots, verfügt. Im Inland betrifft das überwiegend die lukrativen Morgen- und Abendstunden. AirBerlin wäre eine Bereicherung, denn die Lufthansa-Billigplattform Eurowings gewinnt nicht so recht an Höhe. Auch der Einsatz von Germanwings sowie Sunexpress - einem Joint Venture von Lufthansa und Turkish Airlines - brachte dem Kranichkonzern keinen Zuwachs im Billigsegment.
So wie man mit Eurowings aufgestellt ist, gelingt das nicht. Um wirtschaftlicher zu werden, braucht man unter anderem moderne, weil effektive Flugzeuge. Und Cockpitbesatzungen, denn man rechnet pro Maschine mit elf Flugkapitänen und elf Copiloten. Die Ausbildung dauert lange und ist teuer. Wie passend: AirBerlin verfügt derzeit über rund 1200 Piloten. Übrigens: Schon jetzt fliegen 38 AirBerlin-Maschinen mit ihren Besatzungen im sogenannten Wet-Leasing im Auftrag von Lufthansa. Und das zu Kosten, die die in ihrem Billigsektor so schnell nicht erreichen kann.
Lufthansa davon zu überzeugen, dass sie als Nummer 1 die Nummer 2 übernehmen muss, wäre gar nicht so schwer. Es sollte eben nur das Zauberwort Entschuldung fallen. Kartellrechtliche Probleme in Deutschland, die bei einer so marktbeherrschenden Fusion zweifelsohne entstünden, ließen sich beherrschen. Schließlich wolle man ja nur bei der Sanierung helfen. Bockigen EU-Kartellwächtern könnte man überdies ein paar Slots opfern.
Über so ein Einvernehmen unterm Lufthansa-Dach wäre im Moment niemand zufriedener als die Bundesregierung. Denn im September wird bundesweit gewählt und nichts könnte im Vorfeld mehr stören, als wirtschaftliche und soziale Erschütterungen, bunt garniert mit Streikplakaten und Trillerpfeifenkonzerten.
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