B&H-Chef schon länger V-Mann
Verdacht: Geheimdienst wusste mehr über NSU
Berlin. Nach der Enttarnung des ehemaligen Deutschlandchefs der verbotenen Neonaziorganisation Blood&Honour (B&H) als V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz gibt es nun den Verdacht, dass der Anwerbevorgang von Stephan L. bereits im Jahre 1997 begann. Das wäre, so die ARD-Magazine »Fakt« und »Report Mainz«, früher als bislang bekannt. Das Bundesamt hatte in geheimer Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums angegeben, mit »NIAS« sei von 2002 bis 2010 zusammengearbeitet worden. Er sollte das 2001 wirksam gewordene Verbot von Blood&Honour überwachen. Angeblich hat er keine Informationen zum Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) geliefert.
Dem Terrornetzwerk werden zehn Morde, drei Bombenanschläge sowie zahlreiche Banküberfälle angelastet. Die drei Führungsmitglieder Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und die in München angeklagte Beate Zschäpe waren 1998 abgetaucht, nachdem man in einem Versteck Sprengstoff gefunden hatte. Trotz einer angeblich intensiven Fahndung sind die Sicherheitsbehörden 13 Jahre nicht an sie herangekommen. Vor allem Mitglieder der Blood&Honour-Bewegung in Sachsen unterstützten die drei im Untergrund.
Blood&Honour-Chef Stephan L. war am Aufbau der B&H-Sektion in Sachsen beteiligt. Er setzte seinen Freund Jan W. persönlich als Chef der dortigen Sektion ein. Jan W. wiederum war zu jener Zeit einer der wichtigsten Unterstützer des untergetauchten Trios. Er half ihnen bei der Beschaffung von Geld, Wohnungen und Ausweisen. Die persönlichen Kontakte zwischen dem V-Mann »NIAS« und Jan W. waren in dieser Zeit eng. W. stand auch mit einem wegen Mordversuchs verurteilten Neonazi und Verfassungsschutzspitzel aus Brandenburg in Kontakt. Unter anderem, um Waffen zu beschaffen.
Der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages wird bis zum Monatsende seinen Abschlussbericht vorlegen. Für den kommenden Dienstag lädt die Linksfraktion des Bundestages in Berlin zu einer Diskussionsveranstaltung ein. Im Mittelpunkt werden die Arbeit der Verfassungsschutz-V-Leute rings um das mutmaßliche NSU-Kerntrio sowie die die praktischen Auswirkungen der Leitlinie »Quellenschutz statt Strafverfolgung« bei der Bekämpfung von rechter Gewalt und neonazistischen Terrorstrukturen stehen. hei
Info
Podiumsdiskussion am Dienstag, 20. Juni 2017, von 19:30 bis 21 Uhr
Ort: Pfefferberg, Haus 13, Schönhauser Allee 176, 10 119 Berlin
mit Petra Pau, MdB, Obfrau der Fraktion DIE LINKE im NSU-Untersuchungsausschuss; Antonia von der Behrens, Rechtsanwältin, Nebenklagevertreterin der Familie des am 4. April 2006 in Dortmund ermordeten Mehmet Kubaşik im NSU-Prozess am OLG München; Katharina König-Preuss, MdL, Obfrau der Fraktion DIE LINKE im NSU-Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtags; Kristin Pietrzyk, Rechtsanwältin, Nebenklagevertreterin in aktuellen Rechtsterrorismusverfahren
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