»Zoll braucht eine Finanzpolizei«

Polizeigewerkschaft GdP fordert 4000 zusätzliche Stellen und zeitgemäße Ausrüstung

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 3 Min.

»Die Bekämpfung von schwerer und schwerster Kriminalität durch den Zoll findet derzeit unter desaströsen Verhältnissen statt. Dass es bisher nicht zum Desaster gekommen ist, liegt an den hochmotivierten Mitarbeitern insbesondere im Vollzugsdienst.« Auf erhebliche Defizite der Zollverwaltung angesichts der aktuellen Herausforderungen durch die Organisierte Kriminalität (OK) und den internationalen Terrorismus hat Frank Bruckenhofer, Vorsitzender der Bezirksgruppe Zoll der Gewerkschaft der Polizei (GdP), am Dienstag in Berlin hingewiesen. Um sie zu überwinden, fordert die GdP eine schlagkräftige Behördenstruktur, eine neue strategische Ausrichtung, 4000 zusätzliche Stellen und eine zeitgemäße Ausrüstung. Und: Deutschland brauche neben Bundespolizei und BKA eine Finanzpolizei.

Ihre Kernforderungen hat die GdP in einem 32 Seiten starken Positionspapier mit dem Titel »Zoll 2017« zusammengefasst. Dieses Papier richtet sich drei Monate vor der Bundestagswahl an die »politischen Entscheider in Berlin«. Die Gewerkschaft will damit mehr Öffentlichkeit für eine wichtige, für die Sicherheit des Landes unverzichtbare Behörde schaffen: »Der Zoll ist keine bloße Steuerbehörde, sondern beispielsweise Drogenbekämpfer Nummer 1 in Deutschland«, betonte Bruckenhofer. Er beklagte, dass dessen Belange aber bis heute in einem »parlamentarischen Schatten« zwischen Finanz- und Innenausschuss nicht ausreichend wahrgenommen würden.

»Wenn uns die Täter der OK nicht abhängen sollen, dann müssen wir jetzt investieren: in Personal, in eine bessere Ausrüstung, in Expertise und in eine effizientere Struktur«, so der GdP-Bezirkschef. »Der Zoll darf nicht länger nur reine Finanzverwaltung mit angehängten Polizeiaufgaben sein. Teile des Zolls müssen stattdessen als wirk- und erfolgreiche Finanzpolizei zum elementaren Bestandteil der polizeilichen Sicherheitsarchitektur Deutschlands werden.«

Der Zoll mit seinen 40 000 Mitarbeitern untersteht dem Bundesfinanzministerium. Er ist, wie Bruckenhofer erläuterte, eine »hybride Verwaltung« mit höchst vielfältigen Aufgaben. So nimmt die Generalzolldirektion die Aufgaben der Finanzverwaltung war, zuständig für die Erhebung und Verwaltung von Zöllen, Steuern und Abgaben, Betriebsprüfung, Vollstreckung von Geldforderungen, Straf und Bußgeldstellen, Bundeskassen. Ihre Hauptzollämter sind quasi »die Finanzämter des Bundes«, heißt es in dem GdP-Papier.

Die polizeilichen Aufgaben des Zolls führt das Zollkriminalamt. Seine Kontroll-, Fahndungs- und Ermittlungsdienste bekämpfen Schmuggel (Drogen, Zigaretten, Medikamente, Waffen, Autos), Geldwäsche, Finanz-, Steuer- und Wirtschaftskriminalität, Marken- und Produktpiraterie, Arbeitsmarktkriminalität, aber auch Terrorismusfinanzierung.

Die für dieses Aufgabenspektrum vorhandene Personalausstattung bezeichnete der GdP-Funktionär als »miserabel«. Zusammen mit den beträchtlichen Ausfällen angesichts eines hohen Krankenstandes führe das zum Beispiel zu einer mangelhaften Kontrolldichte. »Der Zoll braucht zur Wahrnehmung seiner Aufgaben rund um die Uhr, wenn er nicht immer wieder auf die Ressourcen der Bundes- und Landespolizei zurückgreifen soll, mehr Personal.« In dem Positionspapier formuliert die GdP: »Um der Organisierten Kriminalität sowie der Terrorismusfinanzierung durch Kontrollen und Ermittlungen die Stirn zu bieten, fehlen beim Zoll 4000 Stellen zu den ohnehin 4000 Stellen, die bereits heute nicht besetzt sind.« Beim Einsatz an den Grenzen und auch an Flughäfen fehle es an Beamten, um allein die vorhandenen Stellen zu besetzen. Bruckenhofer verwies dabei auf eine personelle Schieflage zwischen Generalzolldirektion und Zollkriminalamt.

Nachholebedarf machte der GdP-Bezirkschef bei der Ausstattung der Beamten sowie bei der Expertise vor allem auch im Kampf gegen Cyber Crime - etwa im Darknet - aus. Es mangle nicht nur an ballistischen Schutzwesten oder an Einsatzfahrzeugen. So sei seit acht Jahren eine Einigung über die künftige Dienstbekleidung überfällig. Die Ausstattung mit Kommunikationstechnik - zum Beispiel bei Handys - basiere zum Teil »auf dem Niveau der CEBIT 1998«, kritisierte er.

Laut Bruckenhofer müsste eine Finanzpolizei im Stil der italienischen »Guardia di Finanza« sämtliche polizeilichen Kontroll-, Fahndungs- und Ermittlungsaufgaben unter dem Dach des Zollkriminalamtes bündeln. Unterstützung für dieses Projekt hätten vor Jahren zuerst die Linksfraktion und auch die FDP signalisiert.

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