Tangstedter Pferdebesitzer werden zur Kasse gebeten
Gegner der beschlossenen Steuer bekommen Schützenhilfe von Reitsportverbänden und vom Deutschen Olympischen Sportbund
Als erst vierte Gemeinde in Deutschland ist im schleswig-holsteinischen Tangstedt (Kreis Stormarn) - nach drei hessischen Kommunen - eine Pferdesteuer beschlossen worden. Dem Gemeinderatsbeschluss gingen vehemente Proteste voraus, und weiterer Streit ist nun vorprogrammiert.
Kommunen müssen erfinderisch sein, um ein höheres Haushaltsaufkommen zu erzielen. In der 6300-Einwohner-Gemeinde Tangstedt vor den Toren Hamburgs soll ab 1. Juli künftig nicht nur die Hundesteuer, sondern auch eine Abgabe für Pferde in Höhe von 150 Euro pro Jahr kassiert werden. Das beschloss am Mittwochabend die Gemeindevertretung mit zehn Stimmen der SPD und der Bürgergemeinschaft BGT gegen sieben Stimmen aus den Reihen von CDU und FDP. Bürgermeister Norman Hübener (SPD) enthielt sich salomonisch.
Vor der Entscheidung hatte es über viele Monate heftige Auseinandersetzungen gegeben. Befürworter wie Gegner der Maßnahme hatten rechtliche Gutachten vorgelegt. Eine Gebührenerhebung sei rechtens, weil die Halter besteuert werden, lautete die Begründung pro Pferdesteuer. Die andere Seite argumentierte, dass hier eine einzelne Sportart finanziell benachteiligt wird - und dabei überwiegend in diskriminierender Form das weibliche Geschlecht, das mehrheitlich auf dem Pferderücken sitzt. Von einem Verstoß gegen den Sportfördergrundsatz in der Landesverfassung ist die Rede.
Die Gemeinde geht auf der Basis von Zahlen des Kreisveterinäramtes von ungefähr 700 Pferden aus, die in Stallungen Tangstedts untergestellt sind. Entsprechend würde die neue Steuer rund 100 000 Euro an Einnahmen bringen. Viele Pferdebesitzer haben allerdings angekündigt, dass sie in eine andere Gemeinde abwandern wollen. Betreiber von Pferdehöfen bangen daher um ihre berufliche Existenz und mahnen die Politiker, ihre Rechnung samt bürokratischer Begleitkosten würde in keiner Weise aufgehen. Auch in dieser Diskussion kommt damit das Thema Arbeitsplätze aufs Tableau.
Die Steuerrebellen haben bereits rechtlichen Widerstand angekündigt, können juristisch aber erst nach Zugang eines Steuerbescheids tätig werden. Immerhin wird schon einmal auf die Sanktionsmöglichkeiten hingewiesen. Steuersündern, die ihre Pferde nicht melden, droht als Ordnungswidrigkeit demnach eine Strafe, die bis zu 5000 Euro ausmachen kann.
Die Gemeinderatssitzung wurde in die Turnhalle verlegt, so groß war das Interesse. Vor der Tür demonstrierten mehrere hundert Pferdefreunde. Diese bekamen zuletzt Schützenhilfe von Reitsportverbänden und vom Deutschen Olympischen Sportbund. Dessen Vorstandsvorsitzender Michael Vesper hatte in einem Schreiben vom 9. Juni gebeten, die Einführung der Pferdesteuer nicht umzusetzen.
Die Steuer war auch Thema im Landtagswahlkampf und bescherte der SPD tüchtig Gegenwind. Nun ist es auch die Landespolitik, die die gerade beschlossene Steuer wieder stoppen könnte. Im am Mittwoch vorgestellten Entwurf des »Jamaika«-Koalitionsvertrages zwischen CDU, Grünen und FDP spricht sich das designierte Regierungsbündnis gegen eine »Erhebung von Steuern auf Sportarten (beispielsweise Reitsport)« aus und will dafür das Kommunalabgabengesetz ändern. Bis Jahresende könnte die Gesetzesnovellierung den Landtag abschließend passiert haben.
Der Jahresetat in Tangstedt liegt bei zwölf Millionen Euro, das Defizit bei derzeit 900 000 Euro.
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