SPD: Weniger Sozialbeiträge für niedrige Einkommen
Schulz stellt Steuerkonzept vor: Soli soll ab 2020 schrittweise entfallen / Veränderungen am Steuerverlauf / Linkspartei: Vorschlag ist mutlos
Berlin. Die SPD hat ihr Steuerkonzept vorgelegt – sie will Beziehern großer Einkommen mehr abverlangen und dafür untere und mittlere Einkommen entlasten. Das ist die Kernbotschaft, die der Parteivorsitzende Martin Schulz am Montag in Berlin aussenden wollte. Vorgesehen ist unter anderem, dass der Spitzensteuersatz etwas erhöht wird, aber erst ab einer höheren Einkommensgrenze gilt. Dafür soll der Tarifverlauf im mittleren Bereich abgeflacht werden. Für Bezieher niedrigerer Einkommen ist zudem eine Entlastung bei den Sozialbeiträgen vorgesehen. Das Konzept soll in das Wahlprogramm für den Herbst einfließen, das am Wochenende auf einem Parteitag in Dortmund beschlossen werden soll.
Ein wichtiger Punkt des Steuerkonzepts hat eigentlich nichts mit Steuern zu tun, sondern mit Sozialabgaben: Für Bezieher niedrigerer Einkommen ist eine Entlastung bei den Sozialbeiträgen vorgesehen. Dies soll für alle gelten, die zwischen 450 und 1.300 Euro monatlich verdienen. Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel sprach von einem »Entlastungssignal für unterste Einkommen«. Der Rentenanspruch soll dadurch nicht gemindert, der Beitragsausfall durch Steuermittel ausgeglichen werden. Einkommensschwache sollen zudem durch die Abschaffung von Kita-Gebühren entlastet werden sowie durch die Wiederherstellung der Beitragsparität bei der Krankenversicherung.
Und was genau plant nun die SPD steuerpolitisch?
Soli
Die SPD will den Zuschlag von 5,5 Prozent auf die Einkommensteuerschuld ab 2020 für untere und mittlere Einkommen abschaffen. Vom teilweisen Wegfall können laut SPD Singles profitieren, die 52.000 Euro zu versteuerndes Jahreseinkommen (Ehepaare: 104.000 Euro) zur Verfügung haben. Um das zu erreichen, werden die Freigrenzen angehoben. Heute wird der »Soli« erst ab einer Freigrenze von 972 Euro für Ledige (Verheiratete: 1.944 Euro) erhoben. Wer also als Single mehr als 17.000 Euro (34.000) vom Einkommen zu versteuern hat, für den wird bisher der »Soli« fällig. Entlastung: zehn Milliarden Euro.
Spitzensteuersatz
Derzeit greift für Ledige ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 54.058 Euro der landläufig Spitzensteuersatz genannte Tarif von 42 Prozent. Dieser muss nicht auf das Gesamteinkommen gezahlt werden, sondern nur auf die Einkünfte ab eben 54.058 Euro. Nach dem SPD-Konzept soll der Satz von 42 Prozent für Ledige erst ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 60.000 Euro greifen. Dies entspreche einem Bruttoeinkommen von etwa 70.500 Euro für Ledige (Ehepaare: 141.000). Entlastung: rund zwei Milliarden. Um die Entlastungen finanzieren zu können, will die SPD den Spitzensatz auf 45 Prozent anheben, der dann ab 76.200 Euro zu versteuerndem Einkommen für einen Single greift. Dies betreffe Bruttoeinkommen von etwa 87.000 für Ledige (Ehepaare: 174.000).
Reichensteuer
Bei Top-Verdienern ist derzeit ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 256.303 Euro an (Ledige) die »Reichensteuer« von 45 Prozent fällig. Dieser Drei-Prozentpunkte-Zuschlag auf den Spitzensteuersatz soll künftig ab 250.000 Euro fix erhoben werden.
Abgeltungssteuer
Die SPD will Einkommen aus Arbeit und Kapital wieder gleich besteuern, also die Abgeltungsteuer abschaffen.
Mehrwertsteuer
»Besondere Privilegien für einzelne Interessengruppen« wie der reduzierte Mehrwertsteuersatz von sieben statt 19 Prozent sollen »zurückgenommen« werden. Als Beispiel wird die Ausnahme für Hoteliers genannt (»Mövenpick-Steuer«), die die schwarz-gelbe Koalition eingeführt hatte. Auch andere Subventionen würden geprüft.
Erbschaftsteuer
»Sehr große« Erbschaften sollen höher belastet werden, es soll weniger Ausnahmen geben.
Finanztransaktionssteuer:
Die Umsatzsteuer auf Finanzgeschäfte soll auf europäischer Ebene angegangen werden.
Als Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer dient das zu versteuernde Einkommen, das deutlich vom Jahresbruttoverdienst abweichen kann - unter anderem wegen der Freibeträge oder Werbungskosten. Die Tarifeckwerte verdoppeln sich, wenn Steuerpflichtige zusammenveranlagt werden. Steuerpflichtige sind nicht gleich Personen. Beim Splitting gelten also zwei Personen als ein Steuerpflichtiger. Es muss auch zwischen dem Grenzspitzensteuersatz von 42 Prozent und dem Durchschnittssteuersatz unterschieden werden. Während der Grenzsteuersatz nur die Belastung eines zusätzlich verdienten Euro ausdrückt, kann die steuerliche Gesamtlast etwa von Arbeitnehmern nur mit dem Durchschnittssatz ermittelt werden.
Die Linkspartei nannte die Steuervorschläge umgehend »mutlos«, weil die SPD »nicht die wirklich Reichen belasten« wolle, wie es Parteichef Bernd Riexinger formulierte. »Wer nicht an die Superreichen ran will, kann auch nicht die mittleren und niedrigen Einkommen entlasten.«
SPD-Kanzlerkandidat Schulz wurde mit den Worten zitiert, »wir haben solide gerechnet und versprechen nichts, was wir nicht halten können«. Insgesamt sollen sich die Entlastungen auf 15 Milliarden Euro pro Jahr belaufen. Zugleich solle der Bund 30 Milliarden Euro investieren können. »Wir wissen, dass wir nur so dauerhaft unseren ökonomischen Erfolg sichern können«, sagte Schulz. Agenturen/nd
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