Sporthalle auf Kleingartenparzellen

Bezirksamt Pankow besucht Verein Bornholm II und trifft dort auf empörte Gartenfreunde

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

»Hier wird nicht ein Garten angefasst!«, droht ein Gartenfreund. Viele andere reden und rufen aufgeregt durcheinander. Pankows Bezirksbürgermeister Sören Benn (LINKE) ist am Dienstagabend zur Kleingartenanlage Bornholm II in Prenzlauer Berg geradelt. Schulstadtrat Torsten Kühne (CDU) und Stadtentwicklungsstadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) sind ebenfalls gekommen. Sie wollen den Gartenvereinsvorstand über die Pläne informieren, eine zweite Sporthalle für die benachbarte Bornholmer Grundschule in die Kleingartenanlage hineinzusetzen. 2020 oder 2021 sollen die Bauarbeiten beginnen.

Die Sporthalle gehört zur beabsichtigten Erweiterung der Grundschule, die heute von 578 Jungen und Mädchen besucht wird und künftig noch 144 zusätzliche Schüler aufnehmen soll. Eine Mensa und Klassenräume werden dafür gebraucht. Der Schulgarten soll als Baugrundstück herhalten - und in der Kleingartenanlage müssten darüber hinaus für die Sporthalle sechs Parzellen geopfert werden und fünf weitere Parzellen würden beschnitten.

Betroffen sind die sechs Parzellen links von dem Eingang an der Ibsenstraße, Ecke Nordkapstraße und die fünf Parzellen dahinter. Als Stadtrat Kühne das erzählt und die benötigte Fläche von 3000 Quadratmetern auf einem Übersichtsplan vorzeigt, gibt es wütende Reaktionen.

Die Gartenfreunde wollen partout nicht einsehen, dass es keine Alternativen gibt. Sie fragen ein Grundstück nach dem anderen ab, unter anderem ein unbebautes Gelände, das der Republik Bulgarien gehört, die dort dereinst Diplomatenwohnungen errichten lassen will. Aber Bulgarien wolle definitiv nicht verkaufen, maximal für einen bestimmten Zeitraum verpachten, bedauert Stadtrat Kühne. Bei ihm klingt das so, als komme die Pachtvariante nicht infrage, die noch am Montag nach einem Gespräch mit dem bulgarischen Botschafter als die ersehnte Rettung gehandelt wurde. Dies und das habe die Verwaltung bereits abgewogen, beteuert Kühne. Aus dem einen oder anderen Grund klappe es jeweils nicht.

Doch mehrere Gartenfreunde bringen ein weiteres Gelände ins Spiel, das in den Überlegungen bisher noch nicht auf dem Schirm war: ein Basketballfeld am Fuße des Anton-Hofer-Platzes, der bei den Anwohnern nur als Brennerberg bezeichnet wird. »Da treibt niemand Sport. Das ist - mit Verlaub - nur ein Säufertreffpunkt«, heißt es. Kühne zuckt mit den Schultern und nickt. »Na gut«, verspricht er. »Das prüfen wir.« Mehrmals betont der Stadtrat: »Wir haben es uns nicht leicht gemacht.« Doch es gebe nun einmal den »grundgesetzlichen Auftrag der Schulplatzversorgung«, bei Grundschülern wohnortnah.

Bürgermeister Benn versichert den aufgebrachten Gartenfreunden: »Wir kommen ja auf solche Ideen nicht, weil wir heiß darauf sind, uns mit Ihnen Ärger einzuhandeln.«

Dutzende Kleingärtner sind da, um die Politiker zu empfangen, ihnen die Meinung zu sagen. Einige Leute zeigen dabei durchaus auch Verständnis für die Zwangslage des Bezirks und suchen nach einem Ausweg. Einer versucht es mit einem konstruktiven Vorschlag. Wäre nicht ein Deal drin? Der Verein rückt die sechs Parzellen anstandslos heraus, versorgt die Betroffenen in nächster Zeit mit anderen, frei werdenden Parzellen - und im Gegenzug wird der Bestand der Anlage garantiert. Denn der momentan gültige Pachtvertrag läuft 2020 aus.

»Gute Idee«, gibt Bürgermeister Benn zu. »Doch das funktioniert nicht.« Denn über den Bestand der Kleingartenanlagen entscheide der Senat. Der Bezirk wolle alle Gartenanlagen erhalten, sie maximal zugunsten sozialer Infrastruktur etwas beschneiden wie hier oder auch in einem Fall im Ortsteil Heinersdorf. Für den ebenfalls notwendigen Wohnungsbau schlägt Pankow dem Senat andere Flächen vor. Doch der Bezirk weiß nicht, ob der Senat auf ihn hören wird.

Die Leute könnten noch ewig weiterdiskutieren. Doch mit Blick auf die Uhr wird ermahnt, dass die Politiker nun einen Rundgang unternehmen und sich danach mit dem Vorstand zum Gespräch im Vereinslokal zurückziehen sollen.

Beim Rundgang berichtet der Vereinsvorsitzende Edwin Dammrose, dass die Anlage schon seit 1896 bestehe. 181 Parzellen auf einer Gesamtfläche von 67 250 Quadratmetern gibt es heute. 1972 sind etliche Kleingärten einem Botschaftsviertel geopfert worden, dass die DDR später eigentlich noch erweitern wollte, sodass den Gartenfreunden damals geraten wurde, bloß nicht mehr so viel in ihre Lauben zu investieren. Es lohne sich nicht mehr.

Gerade erst erhielt der Verein den Pankower Umweltpreis, weil in der Anlage 27 seltene Apfelsorten kultiviert werden. Allein mindestens sechs dieser Sorten sind in der Parzelle des 82-jährigen Alfred Berg zu finden. Die Politiker schauen bei ihm herein. Als Alfred Berg zwei Jahre alt war, übernahmen seine Eltern das Stückchen Land. Der Sporthalle wäre seine Parzelle nicht im Weg. Aber eventuell dem Wohnungsbau. Und das würden die Anwohner bedauern, die gern hier spazieren gehen. »An unserer Anlage erfreuen sich viele Nichtgärtner«, weiß Vereinschef Dammrose.

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.