TÜV bekommt juristisches Gütesiegel
Bundesgerichtshof weist Klage wegen Pfusch-Brustimplantaten ab
Die Schmerzensgeldklage einer Betroffenen des Skandals um minderwertige Brustimplantate hat am Donnerstag zum zweiten Mal den Bundesgerichtshof (BGH) beschäftigt. In dem Grundsatzverfahren soll sich klären, ob die TÜV Rheinland GmbH eine Mitverantwortung trägt und möglicherweise mit hohen Geldforderungen konfrontiert wird.
Der TÜV hatte die Qualitätssicherung des französischen Herstellers Poly Implant Prothèse (PIP) zertifiziert und überwacht. PIP befüllte bis zum Auffliegen des Betrugs 2010 Implantate mit nicht für diese Zwecke zugelassenem Industriesilikon. Bei mehreren angekündigten Kontrollen der Prüfer wurde vor dem Besuch das billige Silikon ausgetauscht.
Allein in Deutschland waren mehr als 5200 Frauen betroffen. Sie bekamen nach Bekanntwerden des Skandals die Empfehlung, sich die reißanfälligen und teilweise undichten Implantate zur Sicherheit besser entfernen zu lassen. Die Klägerin, eine 67-Jährige aus Ludwigshafen, ließ sich daraufhin ein zweites Mal operieren. Sie hatte sich 2008 zur Sicherheit Brustgewebe entfernen lassen, weil es in ihrer Familie mehrere Krebserkrankungen gab. Deshalb trug sie die Implantate. Aber mit der OP fingen die Probleme an: Fieberschübe, Erschöpfung, eine Gürtelrose. Die Ärzte waren ratlos, bis ab dem Frühjahr 2010 der PIP-Skandal ans Licht kam.
Vom TÜV will die Rentnerin mindestens 40 000 Euro Schmerzensgeld. Sie ist der Ansicht, dass der Betrug früher ans Licht gekommen wäre, wenn die Prüfer bei ihren Besuchen genau genug hingeschaut hätten. Etliche Frauen klagen auf Schmerzensgeld, in Deutschland bisher ohne Erfolg. Diese Klage war die erste, die den BGH erreichte.
PIP-Gründer Jean-Claude Mas wurde zu vier Jahren Haft verurteilt. Bei der insolventen Firma PIP ist kein Geld mehr zu holen. Opfer aus Frankreich können eine Entschädigung von dem Haftpflichtversicherer beantragen. Die Summe ist aber gedeckelt, für jede Frau bleiben nur ein paar Hundert Euro. Ein französisches Handelsgericht sprach zudem rund 20 000 Klägerinnen etwa 60 Millionen Euro Schadenersatz vom TÜV zu. Dagegen läuft aber noch das Berufungsverfahren.
In Karlsruhe wurde höchstrichterlich verhandelt, ob solche Schadenersatzklagen in Deutschland eine Chance haben. Die Entscheidung war daher auch für andere Opfer sehr wichtig. Die Bundesrichter hatten das Verfahren im Jahr 2015 nach der ersten Verhandlung ausgesetzt, um zunächst den Europäischen Gerichtshof zu befragen. Nach dessen Urteil aus dem Februar hat eine Stelle wie der TÜV gemäß der EU-Medizinprodukterichtlinie keine generelle Pflicht, unangekündigte Kontrollen durchzuführen. Falls es aber Hinweise auf Missstände gegeben hat, hätte der TÜV demnach »alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen« müssen.
Der BGH entschied nun zu Ungunsten der Klägerin. Die Prüfer vom TÜV Rheinland hätten bei der Überwachung des Herstellers PIP keine Pflichten verletzt, hieß es zur Begründung. Die Opfer des Brustimplantateskandals haben damit in Deutschland wohl kaum noch Chancen auf Schmerzensgeld. Von einer »sehr guten Nachricht« sprach TÜV-Sprecher Hartmut Müller-Gerbes. »Die Richter bestätigen damit, dass unsere Mitarbeiter und wir als Unternehmen verantwortungsvoll gehandelt und unsere Arbeit korrekt gemacht haben.« (Az. VII ZR 36/14) dpa/nd
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