Widerstand in Wolfsburg

Protest gegen Einkaufszentrum auf Gelände eines früheren KZ-Außenlagers

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Stadt Wolfsburg will auf dem Gelände des früheren KZ-Außenlagers Laagberg ein Einkaufszentrum errichten. Das Vorhaben stößt auf heftige Kritik. Nun zeichnet sich ein Kompromiss ab: Das Einkaufszentrum wird gebaut, ein Teil der KZ-Mauerreste wird verlegt, auf dem Gelände selbst soll zudem eine Gedenkstätte errichtet werden.

Auf dem Laagberg befand sich vom April 1944 bis zum April 1945 eine Außenstelle des Konzentrationslagers Neuengamme. Die knapp 1000 Häftlinge mussten neben zahlreichen Zwangsarbeitern im nahen Betrieb für den KdF-Wagen, dem Vorläufer des VW-Werks, unter unmenschlichen Bedingungen schuften. Mehr als 140 Gefangene starben im Außenlager. Wolfsburg übrigens hieß damals «Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben» und erhielt erst nach Kriegsende seinen heutigen Namen.

Heute ist der Laagberg ein bürgerlicher Stadtteil mit vielen Einfamilienhäusern und Grünanlagen, Mietskasernen gibt es hier kaum. Die Mauerreste des ehemaligen KZ wurden erst im vergangenen Jahr bei Bauarbeiten für das geplante Einkaufszentrum entdeckt.

«Dass man hier so gut erhaltene Reste findet, hätten wir aber nicht gedacht», sagte Wolfsburgs Oberbürgermeister Klaus Mohrs (SPD) bei Bekanntwerden der Funde. Und präsentierte kurz darauf die Idee der Stadtverwaltung: Die KZ-Fundamente sollten ausgegraben und an anderer Stelle mitsamt einem Dokumentations- und Bildungszentrum zum Lager Laagberg wieder aufgebaut werden. Die Baugrube sollte zugeschüttet, der Einkaufsmarkt wie geplant errichtet werden.

Das Vorhaben stieß auf massive Kritik. Die Vereinigung der verfolgten des Nazi-Regimes (VVN) sprach von einer «unsäglichen Idee». Der Ort massenhaften Verbrechens könne nicht einfach verlegt werden. Auch der langjährige VW-Chefhistoriker Manfred Grieger hält eine Verlegung für unangemessen. «Jeder weiß schließlich, dass da ein KZ mit Wachtürmen und Stacheldraht stand», sagte er dem NDR. «Die Polizei verlegt ja auch nicht einfach einen Tatort.»

«Amicale Internationale de Neuengamme», der Dachverband von ehemaligen Häftlingen aus Belgien, Frankreich und Deutschland, war ebenfalls entsetzt. «Auch mein Vater gehörte zu den Häftlingen des Außenlagers Laagberg, die im April 1945 in Wöbbelin (dorthin wurden die Gefangenen aus Laagberg nach der Evakuierung von der SS getrieben, Anm. RP) starben», schrieb «Amicale»-Präsident Jean-Michel Gaussot im April an Oberbürgermeiser Mohrs. «Wir können nicht nachvollziehen, dass die Planungen zur Bebauung anscheinend ohne vorige Rücksprache mit den betroffenen Institutionen und Einrichtungen durchgeführt wurden. Die Fundamente seien ein wichtiges Zeugnis der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Wolfsburg. Sie böten die Möglichkeit, Schülerinnen und Schüler an ihre Stadtgeschichte im Dritten Reich heranzuführen, sich vor Ort mit der Geschichte des KZ Laagberg auseinanderzusetzen und die Erinnerung an die dort inhaftierten 800 Häftlingen zu bewahren.

Die Proteste ließen die Stadtspitze nicht unbeeindruckt, sie legte einen neuen Vorschlag vor. Danach soll ein Teil der Barackenfundamente vor Ort bleiben und »sichtbar gemacht« werden. In unmittelbarer Nähe des Fundortes, wo die Gefangenenbaracke 1 des Außenlagers Laagberg stand, werde ein »Gedenk- und Bildungsort« errichtet, kündigte Mohrs an. »Er soll die Aufgabe erfüllen Erinnerungs-, Forschungs- und politische Bildungsarbeit zu verbinden und eine aktive gedenkstättenpädagogische Arbeit zu ermöglichen.«

Ein Kompromiss, mit dem zumindest »Amicale« leben kann. Präsident Gaussot ließ verlauten, er erkenne »das Potenzial der angedachten Kompromisslösung« an. Sie habe immerhin den Vorteil, das die Spuren des ehemaligen Lagers erhalten blieben und die Geschichte dieses Ortes künftigen Generationen vermittelt werden könne. Trotzdem bedauert Gaussot die Bebauung des Standortes der Barackenfundamente mit Gebäuden ohne Bezug zur Geschichte des Platzes.

Am Mittwochabend sollte Wolfsburgs Stadtrat über die Beschlussvorlage entscheiden. Doch Mohrs setzte die Abstimmung überraschend ab. Ob und welche Fundamente verlegt werden, und ob auf dem Gelände eine Gedenkstääte entsteht, will das Kommunalparlament nun in einer Sondersitzung im August besprechen.

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