Versicherung mit schrumpfenden Rücklagen
Die Gesetzliche Rentenversicherung gibt derzeit mehr aus, als sie einnimmt / Risiko für Altersarmut steigt
Die Rentenkasse hat 2016 ein Minus von 2,2 Milliarden Euro erwirtschaftet. Wie die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) am Montag in Berlin mitteilte, standen Ausgaben von 282,7 Milliarden Euro nur Einnahmen von 280,5 Milliarden Euro gegenüber. Die DRV bestätigte damit einen Bericht der Dortmunder »Ruhr Nachrichten«.
Hintergrund sind demzufolge Gesetzesänderungen wie die Ausweitung der Mütterrente und die Rente mit 63 sowie die Rentenerhöhung 2016. Das industrienahe Institut der deutschen Wirtschaft Köln hatte Ende April berechnet, was die Verdoppelung der Rentenpunkte für Erziehungszeiten für Mütter mit vor 1992 geborenen Kindern ausmacht. Demnach kostete die Mütterrente 2015 rund 6,7 Milliarden und 2016 etwa 7,1 Milliarden Euro - bis 2030 sollen die Belastungen auf rund 6,1 Milliarden Euro im Jahr sinken. Bis Ende 2017 summierten sich die Zusatzkosten auf 24,3 Milliarden Euro.
Die Rente mit 63 schlug demnach mit 480 Millionen 2015 sowie 820 Millionen 2016 zu Buche. Laut der DRV ist das derzeitige Defizit »nicht Ausdruck einer schlechten Lage der Rentenversicherung, sondern Folge des gesetzlich vorgegebenen und geplanten Abbaus der Rücklagen«.
Diese lagen 2016 bei 32,4 Milliarden Euro und damit bei ihrer Höchstgrenze. Für die Rentenversicherung ist eine Nachhaltigkeitsrücklage vorgeschrieben, deren Höhe zwischen dem 0,2-Fachen und dem 1,5-Fachen der Durchschnittsausgaben der DRV in einem Kalendermonat liegen muss. Damit soll einerseits verhindert werden, dass die Rentenversicherung bei Sonderausgaben ohne Rücklagen dasteht, andererseits soll sie aber auch nicht zu viel Kapital anhäufen.
Auch wenn die Rücklagen weniger werden, ist die Finanzlage der DRV stabil: Die Einnahmen aus Pflichtbeiträgen seien 2016 um über vier Prozent gestiegen, hieß es. Der Rentenbeitrag von 18,7 Prozent könne bis 2021 stabil bleiben. Das sieht auch die Koalition so, wie aus dem Entwurf für den Bundeshaushalt 2018 hervorgeht, der am Mittwoch im Kabinett beraten werden soll.
Die »Ruhr Nachrichten« schrieben, dass das Minus der DRV 2016 um 600 Millionen Euro höher ausfiel als 2015. 2014 wurde ein Überschuss von 3,16 Milliarden Euro erzielt, 2015 rutschte die DRV mit 1,59 Milliarden Euro ins Minus.
Grundsätzlich sehen Wirtschaftsexperten das Rentensystem nicht ausreichend gerüstet für die Bedürfnisse heutiger Beschäftigter, von denen immer mehr in prekären Arbeitsverhältnissen oder Teilzeit arbeiteten oder durch befristete Verträge und Arbeitslosigkeit unterbrochene Erwerbsbiografien vorwiesen. Das Problem werde zu wenig berücksichtigt, heißt es in einer Studie der Bertelsmann Stiftung. Besonders alleinstehenden Frauen, Langzeitarbeitslosen und Niedrigqualifizierten drohe Altersarmut.
Demnach könnten rund 20 Prozent der Menschen, die im Jahr 2036 in Rente gingen, betroffen sein - 2015 waren es etwa 16 Prozent. Besonders stark sei Ostdeutschland betroffen, hier werde sich das Altersarmutsrisiko bis 2036 mehr als verdoppeln. Als armutsgefährdet gelten Rentner mit einem monatlichen Nettoeinkommen von unter 958 Euro. Sozialverbände und die Linkspartei fordern eine armutsfeste Mindestrente. Mit Agenturen
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