Die Grashüpfer vom Treptower Park

Nach mehr als 40 Jahren gibt Sigrid Schubert die Leitung des Figurentheaters ab

  • Steffi Bey
  • Lesedauer: 4 Min.

Sigrid Schubert, die agile, ältere Dame, läuft kopfschüttelnd durch den Raum. »Erst funktionieren tagelang die Telefone nicht, jetzt fallen auch noch die Computer aus«, sagt sie. Früher hätte sie solche Situationen als Herausforderung betrachtet und alles irgendwie gleichzeitig geregelt.

Aber diesen »jugendlichen Ehrgeiz« verspürt sie nicht mehr. Mit 76 Jahren will sie kürzertreten: Mehr mit ihren kleinen Enkeln unternehmen, in Ruhe ein neues Stück auf die Beine stellen, Texte schreiben und vielleicht wieder Puppen bauen. Ganz aufgeben möchte sie ihre Passion, wie sie das kleine, feine Theater am Rande des Treptower Parks bezeichnet, auf keinen Fall. Dafür ist sie viel zu sehr verwurzelt mit diesem, ihrem Lebenswerk.

Immerhin managte sie seit 1984 die »Grashüpfer«, die in einer Friedrichshainer Hinterhofwohnung gegründet wurden. Schon damals trat sie auch mit einer Freundin in Kindertagesstätten auf - in leuchtend grüner Kleidung. Die Kleinen hätten damals immer gesagt: »Jetzt kommen wieder die ›Grashüpfer‹ zu uns.«

Der Name blieb bis heute. Und wurde zu einem Markenzeichen. Denn in dem liebevoll eingerichteten Saal, in dem maximal 70 große und kleine Besucher Platz finden, wird nicht einfach nur Puppentheater gespielt. Hier geht es um mehr. Sigrid Schubert, die als ehrenamtliche Vorsitzende vom Förderverein Figurentheater »Grashüpfer« die Spielstätte führt, machte eine Begegnungsstätte daraus. Von Anfang an hat sie es mit ihrem Team verstanden, über das Puppenspiel humanistische Gedanken zu vermitteln.

In ihren eigenen Stücken bringt sie stets eine Botschaft rüber. So steht bei »Frau Holle« beispielsweise »der schonende Umgang mit der Umwelt im Mittelpunkt«. Bei »Hase und Igel« vertragen sich die Kontrahenten am Ende und bekämpfen sich nicht mehr.

Diese Haltung, dieses bewusste Einlenken, dieses »Einen-gemeinsamen-Nenner-finden«, zieht sich durch das Leben der Treptowerin. Sie sagte stets, was sie denkt. Sie mischte sich ein und mischte mit - war 15 Jahre für die Sozialdemokraten aktiv in der Treptow-Köpenicker Bezirksverordnetenversammlung.

Doch im vergangenen Jahr kehrte sie der SPD den Rücken. Anlass war das Lollapalooza-Musikfestival im Treptower Park. »Ich verstehe bis heute nicht, weshalb diese Veranstaltung in einem Gartendenkmal genehmigt wurde«, erklärt sie betrübt. Wenn an einem Wochenende bis zu 70 000 Menschen für ein Musikfest zusammenkommen, bedeutet das nicht nur zwei Tage Lärm und Schmutz für die Anwohner, es hat auch langfristige Schäden für die Flora und Fauna des Parks, ist Schubert überzeugt. Sie störte vor allem, dass im Vorfeld der Veranstaltung niemand vom SPD-geführten Bezirk die Pläne kommuniziert habe. Vergeblich versuchte sie, mit engagierten Bürgern, den Massenansturm zu verhindern.

Dass wegen dieses Festivals im Treptower Park sogar Vorstellungen im Figurentheater ausfallen mussten, erwähnt sie mit einem gequälten Lächeln. Noch fährt sie fast täglich mit dem Fahrrad von ihrer Wohnung zu den »Grashüpfern«, genießt jedes Mal das wundervolle Gartendenkmal, das nach der Sanierung »noch schöner ist als je zuvor«. Weil sie diesen Park so liebt, lädt sie mit ihren selbst ausgedachten Geschichten ab und zu Besucher zu besonderen kulturhistorischen Führungen ein. Mit dabei sind selbst gebaute Puppen.

Einige davon, wie die Prinzessin und der Prinz, stehen im Theatervorraum. Bei Kindergeburtstagen spielen sie manchmal eine Rolle. Oder sie schauen nur zu, wenn Zuschauer nach einer Aufführung selbst kreativ werden und gemeinsam Kronen basteln, Masken bemalen oder kleine Bühnen aus Bastelbögen bauen.

Sigrid Schubert hofft, dass ihr Nachfolger, der gerade gesucht wird, solche Traditionen beibehält. Sie freut sich auf eine »junge Leitungsbesetzung«, die durch eine Spielstättenförderung der Senatskulturverwaltung möglich wird. Der oder die Neue soll künftig nicht nur Organisieren und für das Künstlerische verantwortlich sein, sondern auch Technik und Buchhaltung übernehmen. Fest steht: Das Figurentheater bietet weiterhin besonders jungen Puppenspielern die Möglichkeit aufzutreten.

Bislang kommen jährlich rund 16 000 Besucher zu 400 Veranstaltungen - darunter Gastspiele, Märchenwanderungen und Märchenabende in der Jurte.

Sigrid Schubert wünscht sich, dass irgendwann einmal ein richtiges Theaterhaus in dem bezirkseigenen Gebäude an der Puschkinallee entsteht: mit Werkstätten und Probenräumen.

Figurentheater »Grashüpfer«, Puschkinallee 16a, 12435 Berlin, Telefon: 53 69 51 50, www.theater-grashuepfer.de

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