Räumung amtlich beglaubigt
Kaufvertrag der Friedelstraße 54 verpflichtet Eigentümerin, Nutzungsverhältnis zu beenden
Am Dienstagmorgen sitzen ein Mann und eine Frau auf alten Sesseln vor der Friedelstraße 54 in Neukölln. An Kleiderständern neben ihnen hängen T-Shirts, die kostenlos mitgenommen werden können. Der Umsonstflohmarkt ist eine der Aktionen zur Mobilisierung gegen die Räumung des Kiezladens im Erdgeschoss des Hauses, die für den kommenden Donnerstag angekündigt ist. Um 9 Uhr will der Gerichtsvollzieher vor der Tür stehen. In unmittelbarer Nähe zum Haus ist in der Weserstraße jedoch schon ab 4 Uhr morgens ein Parkverbot eingerichtet worden.
Der Kiezladen hätte schon längst geräumt werden sollen. Die vorherige Eigentümerin Citec hatte eine entsprechende Klage eingereicht. Nur ein Jahr nach Erwerb des Hauses verkaufte sie es im Juli 2016 allerdings bereits wieder. Die neue Eigentümerin, die luxemburgische Firma Pinehill, erwarb offenbar nicht nur das Wohnhaus, sondern verpflichtete sich per Kaufvertrag auch dazu, die Räumung voranzutreiben. So jedenfalls liest sich ein Absatz im Vertrag, der »nd« vorliegt. In Paragraf 5 heißt es: »Der Käufer erhebt (...) Klage gegen den Akazie Berlin e.V. auf Räumung und Herausgabe des Mietgegenstandes an den Käufer und führt diesen Räumungsprozess im eigenen Namen und auf seine Kosten.«
Der Kaufvertrag ist wie üblich notariell beglaubigt und vom Amtsgericht Neukölln abgestempelt. Spätestens dieser Passus hätte für das Bezirksamt Neukölln Grund genug gewesen sein müssen, um das Vorkaufsrecht für das Haus geltend zu machen, meint Matthias Sander, Sprecher des Kiezladens. Tatsächlich trat die Verordnung, die das Gebiet um den Reuterplatz herum zum Milieuschutzgebiet erklärte, am 29. Juni 2016 in Kraft. Der Kaufvertrag ist vom 28. Juni. Jochen Biedermann, seit Herbst 2016 Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung (Grüne), sagt: »Ich glaube nicht, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts im letzten Jahr realistisch gewesen wäre.« Dazu hätte es eines längeren zeitlichen Vorlaufs bedurft.
Der Pinehill gehört nach Angaben des luxemburgischen Firmenverzeichnisses in Berlin auch die Korsörer Straße 9 in Prenzlauer Berg. Diese erwarb sie bereits 2015 für rund sechs Millionen Euro. Die Firma hat keine Homepage, keine Telefonnummer und keine E-Mail-Adresse und ist für Anfragen nicht zu erreichen. Das und die luxemburgische Adresse deutet auf eine Briefkastenfirma hin. Hinter ihr steht die luxemburgische Firma Paddock, die bis Redaktionsschluss nicht auf Anfragen des »nd« reagierte.
Als Geschäftsführer der Pinehill ist im Kaufvertrag sowie im luxemburgischen Firmenverzeichnis Robert Faber angegeben. Faber wird unter anderem auch als »Independent Manager« auf der Homepage der FREO Group angegeben. Diese ist in Berlin an weit größeren Projekten beteiligt. Nach eigenen Angaben entwickelt sie die East Side Mall am Berliner Ostbahnhof. Außerdem will sie ein neungeschossiges Büro- und Geschäftsgebäude am Potsdamer Platz errichten. Dieses soll gänzlich ohne Wohnungen auskommen, was dem Projekt und dem ehemaligen Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) im vergangenen Jahr viel Kritik eingebracht hatte.
Die Friedelstraße 54 scheint vor allem ein Spekulationsobjekt zu sein. Das sehen auch die Neuköllner Grünen so. Vorstandssprecherin Christine Spannagel: »Die Rechte von Mieter*innen müssen gestärkt und Immobilienspekulation muss verhindert werden. Die Räumung des Kiezladens ist nur die Spitze des Eisbergs.« Auch sie kritisiert, dass das Vorkaufsrecht im Fall der Friedelstraße nicht angewendet wurde. »Die Chance, dies auch für die Friedelstraße 54 zu prüfen, wurde von den Zuständigen im letzten Jahr leider vertan.« Damals war die SPD für die Stadtentwicklung zuständig. Für die Liberdastraße 10 hat Stadtrat Biedermann gerade das Vorkaufsrecht erwirkt.
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