Raubgut aus dem Pfandleihhaus
Sachsen-Anhalt: Kunstmuseum Moritzburg Halle erzielt Einigung über jüdisches Kulturgut
Die drei Büchsen, die im Kunstmuseum Moritzburg in Halle auf einem Tisch stehen, sehen aus wie kleine orientalische Türmchen und bestehen aus fein ziseliertem Silber. Gefüllt mit Myrthe, wurden derlei sogenannte Besamimbüchsen in jüdischen Haushalten am Abend des Sabbat genutzt, um Wohlgeruch am Übergang vom Feiertag in die profane Woche zu verbreiten. Es handelt sich um rituelle Objekte, sagt Robert Haller von der Jewish Claims Conference (JCC). Ins Museum kamen sie 1940 jedoch wegen ihres materiellen Wertes - als Gegenstände aus Edelmetall, die jüdischen Deutschen vom NS-Regime geraubt wurden. Erst 77 Jahre später wurde das Unrecht jetzt korrigiert.
Allerdings können die drei Besamimbüchsen und knapp zwei Dutzend weitere Silbergegenstände nicht mehr an ihre ursprünglichen Besitzer zurückgegeben werden. Die Suche sei trotz aller Akribie ohne Erfolg geblieben, sagt Susanne Köller, die im Auftrag des Museums monatelang recherchierte. Deshalb wurden der kleine Silberschatz, zu dem auch Alltagsgegenstände wie Besteck, Ketten und Dosen gehören, an die JCC übertragen. Diese nimmt jüdische Interessen in Vermögensfragen wahr, wenn die tatsächlichen Eigentümer nicht zu ermitteln sind. Trotzdem werden die Besamimbüchsen und anderen Gegenständen weiter in Halle zu sehen sein: Die JCC stellt sie als Dauerleihgabe zur Verfügung. Das sei ein bisher einzigartiger Vorgang in Sachsen-Anhalt, sagt Rainer Robra (CDU). Der Chef der Staatskanzlei spricht von einer »erfreulichen und beglückenden Wendung«.
Die Silbergegenstände waren schon bisher ausgestellt und in Katalogen verzeichnet worden. Wenn es um die Herkunft ging, wurde stets angemerkt: »Leihamt der Stadt Halle«. Hinter der eher banalen Angabe verbirgt sich ein perfider Mechanismus, der zeigt, wie die NS-Rassenideologie im Alltag umgesetzt wurde. Nach der Reichspogromnacht im November 1938 legte das Regime den jüdischen Deutschen eine »Sühneleistung« auf. Unter anderem hatten sie alles Edelmetall und alle Edelsteine aus in ihrem Besitz binnen zwei Wochen gegen eine eher symbolische Entschädigung an den Staat abzugeben, sagt Uwe Hartmann vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste. Annahmestellen waren 60 städtische Pfandleihanstalten in Deutschland, darunter die in Halle.
In vielen Fällen wurden die Kunstgegenstände und Familienschätze anschließend eingeschmolzen. Doch es bedienten sich auch Kunstsammlungen. In Hamburg erwarb ein Museum 1,6 Tonnen Silbergegenstände, in Berlin waren es 4000 Gegenstände mit einem Gewicht von 235 Kilo.
Dass der Schatz in Halle, der ein eher bescheidenes Gewicht von 2500 Gramm hat, erhalten blieb, war womöglich propagandistischen Absichten geschuldet, sagt Thomas Bauer-Friedrich, Leiter des Hallenser Museums. In der Stadt war 1940 ein Institut für Religionswissenschaften eingerichtet worden - als ein Vorläufer einer »Hohen Schule« der NSDAP, die nach Kriegsende am Chiemsee errichtet werden sollte. Das Institut betrieb Schauräume in der Moritzburg - und habe, so Friedrichs Hypothese, die Besamimdosen dort »in diffamierender Weise« präsentieren wollen. Bald werden die Silbergegenstände mit anderem Ziel ausgestellt: Man wolle, sagt Haller, »einem breiten Publikum« eine imaginäre Beziehung zu den jüdischen Vorbesitzern ermöglichen, denen der NS-Staat auch das Familiensilber nicht mehr gönnte.
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