Kaffeeklatsch nach einer unbequemen Nacht
Robby nähert sich New York und kämpft mit inneren Gefühlen
Heute morgen 8 Uhr Ortszeit (bei uns war es bereits 14 Uhr) hatte ich mich mit Robby zum Kaffeeklatsch nahe Putnam in den USA verabredet - nun ja, zwar nur virtuell, aber es reichte, um Robbys Stimmung etwas aufzumöbeln. Denn er war nach der letzten Nacht nicht so gut drauf, wie er mir erzählte. Da war es nämlich schon wieder passiert, dass er unsanft aus dem Schlaf gerissen wurde. Dabei war er sich gestern abend noch so sicher, einen ruhigen Schlafplatz gefunden zu haben, wie er ziemlich euphorisch über Facebook mitgeteilt hatte. Doch er hatte sich zu früh gefreut: Gegen drei Uhr morgens standen zwei Securitymänner neben seiner Matratze unter freiem Himmel und erklärten ihm energisch, dass er dort nicht schlafen könne und wollten ihn in ein Hotel im nahegelegenen Ort schicken.
Aus Budgetgründen will und kann er das aber nicht, und deshalb hat Robby, der zur Zeit mutterseelenallein unterwegs ist, einen Entschluss gefasst: Ein Begleitfahrzeug muss her, in dem man auch die Nacht verbringen kann. Das Auto zu kaufen, ist kein Problem, die deutsch-amerikanische Industrie- und Handelskammer in New York will ihn dabei unterstützen. Das eigentliche Problem ist ein fehlender Fahrer, denn Robby selbst will und wird ja seinen Weg zum Südpol auch weiter zu Fuß zurücklegen. Und deshalb bat er mich, einen Aufruf zu starten, was ich sehr gern tue. Also: Wer hat Lust, das Auto zu fahren und Robby ein Stück seines Weges zu begleiten? Oder wer kennt jemanden, der dazu Lust hätte? Bitte meldet Euch unter rc@robbyclemens.de oder unterwegs@nd-online.de.
Ansonsten ist Robby - zumindest, was die körperliche Fitness angeht, bestens drauf. Täglich legt er bei Temperaturen von zur Zeit 25 bis 30 Grad Celsius zwischen 30 und 60 Kilometer zurück. Zwischen zehn und zwölf Stunden ist er dabei unterwegs. Nur noch rund 250 Kilometer trennen ihn von New York, wo er am 5. oder 6.7. eintreffen will. Was ihm im Moment ziemlich zu schaffen macht, ist die Psyche. «Mit dem Kopf bin ich noch immer in Grönland, mit seiner stillen Schönheit und bei meinen Mitstreitern, mit denen ich das Abenteuer durchlebt habe. Mit dem Körper aber bin ich längst in der quirligen USA», erzählt er. Es gibt Tage, da trifft er kaum einen Menschen, dann wieder auf brodelnde Städte. Es sei ein Auf und Ab der Gefühle, bekennt er. Damit müsse er erst lernen, zurechtzukommen. Obwohl er täglich mit seiner Familie in Kontakt sei, fehle sie ihm doch sehr. Insbesondere, wenn er unterwegs auf Familien treffe, komme schon mal ein bisschen Wehmut auf, gesteht er.
Was er mache, wenn er stundenland allein unterwegs ist, frage ich ihn. «Ich rechne, singe und zähle Schritte», erzählt Robby, «ich denke an zuhause und an viele Freunde, die in Gedanken mit auf Tour sind.
Zu den bisherigen Highlights in den USA zählte für ihn das Konzert mit der Band Rammstein am 25.6. in New York. Dafür hatte er sich extra ein Auto gemietet, um den Abstecher dorthin zu machen (von wo aus er anschließend wieder zum Ausgangspunkt zurückfuhr.) Nach dem Konzert hatte Robby Gelegenheit, die Musiker backstage zu treffen und eine Stunde lang mit ihnen über Gott und die Welt zu schwatzen. Als Robby ihnen von seiner Tour erzählte, sangen sie spontan Frank Schöbels »Ich lauf vom Nordpol zum Südpol zu Fuß«. Zum Abschied gab ihm Sänger Till Lindemann seine Handynummer und das Versprechen, nach Robbys Rückkehr nach Deutschland ein gemeinsames Event zu planen. Lassen wir uns also überraschen!
Nun aber nähert sich der Extremläufer erst einmal Schritt für Schritt New York, wo er sich dann ein paar Tage ausruhen und die Stadt als Tourist unter die Füße nehmen will. Anschließend läuft er weiter nach Philadelphia und Washington.
Für heute aber erst einmal: Mach’s gut Robby, und hab ruhige Nächte, wo immer Du Dein Zelt aufschlägst. Und sollte jemand in den nächsten Tagen zwischen Putnam und New York auf einen (inzwischen) bärtigen Mann in Laufschuhen mit einem Kinderwagen treffen, bieten Sie ihm ruhig ein Plätzchen für die Nacht in ihrem Garten an. Denn der Mann ist harmlos, der beißt nicht, der rennt nur und ist ein stets gut gelaunter Erzähler!
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