Medien im Konflikt

G20-Protest

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 2 Min.

Wenige Tage vor dem Beginn des G20-Gipfels gibt es bereits unzählige Berichte, in denen die Protestierer als »Gipfelchaoten« diffamiert werden, nicht nur in den Boulevard-Medien. »Man könnte den Eindruck bekommen, dass Hamburg in Schutt und Asche gelegt wird«, sagt Simon Teune vom Institut für Protest- und Bewegungsforschung. Hierbei zeige sich der Einfluss, den Medien ausüben: »Ob ein Protest als Chance auf Veränderung oder als Bedrohung wahrgenommen wird, hängt stark davon ab, in welchem Medium man sich informiert.« Teune hat mit dem Sozialwissenschaftler Moritz Sommer und unter der Mitarbeit des Berliner Soziologen Dieter Rucht eine Studie erstellt, die die Berichterstattung über Großdemonstrationen untersucht. Am Freitagvormittag präsentierten sie ihre Arbeit in Berlin. Methodisch haben die Forscher 369 Beiträge zu sieben Demonstrationen unter die Lupe genommen, die zwischen 2003 und 2015 erschienen sind. Ergänzend führten sie Interviews mit Journalisten.

In den Ergebnissen zeige sich, dass Medien wie »Taz« oder die »Frankfurter Rundschau« eher »empathisch« über Proteste berichten, solange diese keine antiliberalen Inhalte vertreten. Konservative Medien wiesen die Proteste dagegen tendenziell als »antidemokratische Inszenierungen« zurück; öffentlich-rechtliche Medien versuchten einen Mittelweg zu gehen. Generell gebe es jedoch klare Grenzziehungen: »Steinewerfende Linke werden genau wie übergriffige Pegida-Demonstranten abgelehnt«, sagte Teune.

Interessant scheint der Zusammenhang zwischen Journalistensympathie und der Tiefgründigkeit der Darstellungen: Obwohl beispielsweise alle der untersuchten Medien die Demonstrationen nach dem Reaktorunfall im japanischen Fukushima positiv bewerteten, setzte sich kein Medium mit den Argumenten der Teilnehmer auseinander. »Der Protest verpuffte wirkungslos«, erläuterte Teune. Bei dem G8-Gipfel in Heiligendamm 2007 ging es dagegen in der Berichterstattung fast ausschließlich um Konflikte mit der Polizei, Hintergründe konnten ebenfalls kaum durchdringen. Die Demonstrationen gegen das Freihandelsabkommen TTIP bekamen wiederum zwar - gemessen an ihrer Teilnehmerzahl - wenig Presseaufmerksamkeit, dafür wurde sich am intensivsten mit ihren Forderungen auseinandergesetzt.

Die Studie zeigt ebenso auf, dass die Berichterstattung auch »gesellschaftliche Ungleichverhältnisse« widerspiegelt. Proteste von etablierten, ressourcenstarken Organisationen würden positiver wahrgenommen, während »randständige Gruppen« kaum Aussicht auf Beachtung hätten. Für die kommenden G20-Proteste warnen die Forscher deswegen vor typischen journalistischen Fallstricken: Trotz einer Gewaltdebatte dürfe man beispielsweise das Differenzierungsvermögen bei sozialen Bewegungen nicht verlieren. Die Polizei sei zudem kein »neutraler Akteur«, sondern eine »Konfliktpartei«, mit taktischer Öffentlichkeitsarbeit. »Sie schafft auf den Demonstrationen Tatsachen, um ihren Spielraum zu vergrößern«, sagte Teune. Ihre Aussagen müssten von Journalisten genau wie die der anderen überprüft werden.

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