Sechs Hüftschwünge weniger für Lamyai

Thailands Premier profiliert sich als Sittenwächter / Drastische Strafen wegen Majestätsbeleidigungen

  • Alfred Michaelis, Vientiane
  • Lesedauer: 3 Min.

Phrayuth Chan-O-Cha (63), Premierminister der bei einem von ihm angeführten Putsch 2014 in Thailand an die Macht gekommenen Militärregierung, sorgt sich um die ethischen Werte des Volkes. Die sieht er besonders durch die Sängerin Lamyai Hai Thongkham ernsthaft bedroht. Gleich dreimal bemängelte er in öffentlichen Auftritten die seiner Meinung nach zu spärliche Bekleidung und aufreizende Bewegungen des Jungstars.

Prachakchai Navarat, Besitzer des Labels, das Lamyai vermarktet, kann die Aufregung nicht verstehen. Er versprach aber, die Zahl der beim Premierminister Anstoß erregenden Hüftschwünge von neun auf drei zu verringern. Dabei allerdings blieb es nicht. Bei einem der folgenden Konzerte der Unterhaltungstruppe marschierten Uniformierte in den Saal, um die veränderte Kleiderordnung und reduzierte Posendarbietung zu überprüfen. Prachakchai und Lamyai können froh sein über eine derartige Werbung. Sie verbesserte ihren Bekanntheitsgrad gegenüber Dutzenden vergleichbaren Estraden-Truppen, die vor allem durch den armen Nordosten tingeln. Ihre Auftritte haben Zulauf wie nie zuvor.

Bei Premier Phrayuth liegt das Problem offenbar tiefer. Er war schon in der Vergangenheit mit Kommentaren aufgefallen, als er etwa nach der Ermordung eines britischen Touristenpaares speziell das weibliche Opfer mit den Worten verhöhnte: »Werden sie in Thailand überleben, wenn sie Bikinis tragen? Nur wenn sie nicht hübsch sind.« Britischen Medien gegenüber entschuldigte er sich kurz danach für die Entgleisung. Bei anderer Gelegenheit verglich er knapp bekleidete Frauen mit »ausgewickelten Candys«.

Der Ruf nach Erhaltung einer - offenbar von ihm selbst definierten - »Thainess« ist nicht nur auf knappe Textilien bezogen. Zur nationalen Identität gehört ebenso die Verehrung des Königshauses, die von den Militärs strengstens überwacht wird. Erst Anfang Juni wurde ein 35-jähriger Mann von einem Militärtribunal zu 35 Jahren Gefängnis verurteilt, weil er auf Facebook despektierliche Eintragungen über das Königshaus verbreitet haben soll.

Die Art der Mitteilungen lässt sich öffentlich nicht nachvollziehen, da jede Wiederholung der Äußerungen eine erneute Anklage wegen Majestätsbeleidigung nach sich zöge. Die 35 Jahre sind die längste bisher verhängte Haftstrafe wegen Majestätsbeleidigung. Hätte der Mann seine Schuld nicht eingestanden, wäre er für 70 Jahre eingesperrt worden. Nach dem drastischen Urteil war die Praxis vom UN-Hochkommissar für Menschenrechte kritisiert worden. Unter der Militärregierung habe sich die Zahl der einschlägigen Prozesse in den Jahren 2014 bis 2016 gegenüber 2011-2013 auf über 285 Fälle mehr als verdoppelt.

Die Thais werden sich wohl noch länger mit der Militärherrschaft arrangieren müssen. Hatte Phrayuth anfangs von einem Jahr bis zu Wahlen und zur Einsetzung einer Zivilregierung gesprochen, wird als neuester Wahltermin nach mehreren unerfüllten Ankündigungen vage Ende 2018 genannt. Doch selbst das ist alles andere als sicher. In einer seiner vielzähligen Fernsehansprachen stellte der Premier vier eher rhetorische Fragen, die die Regierungsfähigkeit einer gewählten Führung von vornherein in Abrede stellen. Beobachter sehen dies als Zeichen dafür, dass sich die Militärregierung für längere Zeit einrichtet.

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