G20: Wie ein Tweet im Schauspielhaus zu Schlafplätzen führte

Im Hamburger Theater dürfen bis zu 100 NoG20-Aktivisten schlafen / Ob es zuvor besetzt wurde, bleibt unklar

  • Elsa Koester
  • Lesedauer: 4 Min.

Update 22 Uhr: Auch im Camp Altona 300 Zelte erlaubt
Am Mittwochabend urteilte das Oberverwaltungsgericht, auch im Camp Altona 300 Schlafzelte zu erlauben – ebenso wie in Entenwerder. Die Aktivisten jubelten, inzwischen sind mehrere Reisebusse angekommen, etliche Zelte stehen. »Ich nehme an, dass die Unterstützung der Angereisten durch das Schauspielhaus und die Evangelische Kirche zu einem Umdenken geführt hat«, so Robert Jarowoy von der LINKEN Altona, der das Camp zunächst angemedet hatte. Erlaubt wurden die Zelte jetzt jedoch nicht für das ursprünglich angemeldete Zeltlager, sondern für die Protestkundgebung »Sleep-In« gegen das Schlafverbot vom Dienstag, für die die Polizei erst zwei, dann zehn Zelte zugelassen hatte. Die für 300 Schlafzelte und Küchen zugelassene Fläche befindet sich nun nur wenige Meter vor der ursprünglich angemeldeten Campfläche. Für Jarowoy war dieses Gerichtsurteil längst überfällig: »Nun ist dieser gesetzeswidrige Schwachsinn endlich beendet.«

G20: Wie ein Tweet im Schauspielhaus zu Schlafplätzen führte

Ist das Schauspielhaus in Hamburg jetzt besetzt oder nicht? Am Dienstagabend herrschte Verwirrung in den sozialen Medien. In einem Tweet des Videokollektivs »Freundeskreis« wurde verkündet, das Theater sei besetzt, bis zu 1500 Aktivisten hätten hier Platz zum Schlafen. Auch das »nd« twitterte die Nachricht, nachdem der Videoaktivist ihnen versicherte, es handele sich um eine Quelle direkt aus dem Theater. Die Nachricht machte schnell die Runde, bis »Spiegel Online« twitterte: »Wir haben beim Schauspielhaus nachgefragt. Mitarbeiterin weiß von nichts. Offenbar ist die Information falsch.« Was stimmte? Vom Schauspielhaus kam via Twitter ein Dementi: »Es handelt sich hier um eine Falschmeldung. Es wird heute definitiv keine Plätze geben.« Auch das »nd« vermeldete daraufhin, es habe sich leider um eine Falschmeldung gehandelt.

Aber die Jubelmeldung machte inzwischen die Runde, in den folgenden drei Stunden fanden sich viele schlafplatzlose Aktivisten vor dem Schauspielhaus ein. Doch die Polizei verwehrte ihnen den Zugang. Erst gegen 23 Uhr zog sie sich zurück. Das Theater ließ Leute für die Übernachtung in das Haus. Trotzdem twitterte die Polizei noch gegen 23.30 Uhr: »Die Personen sind im Schauspielhaus nicht erwünscht & dieses Hausrecht schützen wir.«

Gegen Mitternacht waren ungefähr 50 Aktivisten zum Schlafen im Theater. In der Öffentlichkeit sorgte jedoch erst der NDR für Klarheit, der morgens um 7.45 Uhr ein Statement von Peter Raddatz, dem Geschäftsführer, twitterte. Um 21 Uhr hätten 200 Demonstranten vor dem Schauspielhaus gestanden und nach Übernachtung gefragt, berichtete Raddatz. Er habe es als Akt der Menschlichkeit angesehen, dass sie hier eine Übernachtungsmöglichkeit bekommen. Das Haus habe den Polizisten deutlich gemacht, dass sie das Hausrecht hätten, woraufhin die Polizei abgezogen sei.

Was aber war zuerst da – der Tweet oder die Demonstranten? »Es gab zuerst die Information in den sozialen Medien, dann sind die Leute gekommen«, ist sich der Pressesprecher des Theaters, Nils Wendtland, sicher. Der »Freundeskreis«-Videoaktivist jedoch bestreitet dies. »Nein, ich habe die Information direkt aus dem Schauspielhaus bekommen, dass es besetzt ist«, sagt er gegenüber »nd«. »Erst danach habe ich die Info getwittert.«

Endgültig wird sich wohl nicht mehr klären lassen, welche Demonstranten wann genau im Theater waren. Wer auch immer dafür gesorgt hat – sicher ist: Die Verwirrung führte zum ersten legalen kollektiven Übernachtungsort für Menschen, die zum Protest gegen den G20-Gipfel anreisen. Denn in Entenwerder räumten die Aktivisten aufgrund polizeilicher Schikanen das Camp, in Altona sind am Mittwoch nach Beschluss des Verwaltungsgerichts von Dienstagabend weiterhin nur zehn Schlafzelte erlaubt. Erst am Mittwoch entschied das Oberverwaltungsgericht, dass bis zu 300 Schlafzelte in Entenwerder erlaubt seien.

Das Schauspielhaus hat sich inzwischen entschieden, seine Türen auch in den kommenden Tagen für bis zu 100 Aktivisten zu öffnen. »Wir schauen von Tag zu Tag, wie es läuft«, so Wendtland. »Es gibt eine generelle Offenheit des Hauses – vorausgesetzt, dass es friedlich bleibt. Aber bislang lief alles gut.«

G20: Wie ein Tweet im Schauspielhaus zu Schlafplätzen führte

Im Theater selbst sind inzwischen wieder Aktivisten angekommen, um sich auszuruhen. Sie wollen sich nicht fotografieren lassen, weil das die Entscheidung des Plenums war. Aber sie freuen sich, dass über den Ort berichtet wird. Ein Angestellter des Schauspielhauses kommt vorbei, um ihnen die Tür zu den Proberäumen zu öffnen. »Bitte seid sehr leise, es gibt noch Proben«, sagt er, und begleitet sie hinunter. »Es gibt noch keine Lösung für das Gepäck. Vielleicht müsst ihr es morgen früh wieder mitnehmen. Bitte, seid leise!« Die Aktivisten tragen ihr Gepäck hinunter. »Zum Glück sind wir nicht auf dem Camp«, flüstert einer auf französisch, »das hier ist wirklich Luxus!«

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