Sex and Crime and Männerpathos
Für seinen Roman »Tram 83« erhält der kongolesische Autor Fiston Mwanza Mujila an diesem Donnerstag den Internationalen Literaturpreis
Das Bemerkenswerteste an »Tram 83« ist die plaudernd-mündlich klingende Sprache. Slangausdrücke, Umgangssprache und eine flotte Erzählweise prägen den Stil des kongolesischen Autors Fiston Mwanza Mujila, während die Handlung des Romans eher übersichtlich ist. Im Mittelpunkt des Geschehens steht die Bar »Tram 83«, die Anlaufpunkt für die sogenannte Szene einer afrikanischen Großstadt ist und allerlei Randexistenzen sowie Touristen versammelt, die vor allem nach jungen, willigen Mädchen Ausschau halten. Requiem und Lucien, so heißen die beiden befreundeten Hauptfiguren, halten sich mit eher illegalen als legalen Überlebenstechniken über Wasser, und Lucien träumt zudem davon, als Autor von Essays und Theaterstücken berühmt und reich zu werden.
Das alles präsentiert der 1981 geborene Autor in einem hastigen, atemlosen Tempo, das zum einen die Gehetztheit der Figuren in ihrem schwierigen Alltag widerspiegelt und zum anderen die Lektüre des Buchs zu einer raschen Angelegenheit macht. Dass dies auch in der deutschen Ausgabe funktioniert, ist das große Verdienst der beiden Übersetzerinnen Katharina Meyer und Lena Müller.
Die Machart von »Tram 83« - und man kann durchaus sagen: das Erfolgsrezept - erinnert frappant an die Struktur der Romane des ebenfalls kongolesischen Autors Alain Mabanckou, der seine Bücher »Psycho« und »Black Bazar« auch jeweils in einer Bar spielen lässt, in der sich allerlei Typen begegnen und mit ihren Erzählungen die spärliche Handlung der Bücher formen. Auch stilistisch greift Mujila auf bewährte Muster zurück: Das temporeiche Erzählen prägt auch Mabanckous Romane, und die Mischung aus Sex und Illegalität samt schnodderiger Sprache ist Kennzeichen der Thriller, mit denen die in Paris lebenden Autoren Sami Tchak aus Togo (»Scheiß Leben«) und Achille F. Ngoye (»Schwarzes Ballett in Château-Rouge«) Erfolg hatten. Alle diese Bücher sind von einem extremen Männlichkeitskult durchdrungen. Weibliche Figuren kommen lediglich als willfährige Sexspielzeuge vor.
Fiston Mwanza Mujila, der seit geraumer Zeit in Österreich lebt und dort neben Prosa auch Lyrik und Theaterstücke schreibt sowie an der Grazer Universität unterrichtet, erhält an diesem Donnerstag im Haus der Kulturen der Welt (HKW) den Internationalen Literaturpreis, den das HKW und die Stiftung Elementarteilchen zum neunten Mal ausgelobt haben. Zusammen mit dem Autor, der ein Preisgeld von 20 000 Euro bekommt, werden seine Übersetzerinnen ausgezeichnet. Dies ist besonders zu betonen, weil die Auszeichnung wohl mehr der Übertragung ins Deutsche zugutezuhalten ist als dem Roman selbst, der vor allen Dingen veranschaulicht, wie holprig die Rezeption afrikanischer Literaturen in Deutschland bei allen Fortschritten immer noch verläuft. Katharina Meyer und Lena Müller erhalten zusammen 15 000 Euro.
Neben den Preisträgern sind während der langen Festnacht auch weitere für den Preis nominierte Autoren und Übersetzer zu erleben. Sie berichten von literarischen Entstehungsprozessen, lesen aus Texten und diskutieren die Verankerung der Literatur in der Gegenwart.
Fiston Mwanza Mujila: Tram 83. Aus dem Französischen von Katharina Meyer und Lena Müller. Paul Zsolnay Verlag. 207 S., geb., 20 €.
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