G20: Juristen kritisieren »Rechtsfeindschaft« der Polizei

Abstempelung des Anwältevereins RAV als gefährlich weil links sorgt für Empörung / Hamburger Stadtregierung soll Stellung nehmen

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Die Hamburger Polizei bleibt unter Juristen weiter in der Kritik. Versuche der Behörde, Anwälte in »genehme« und »gefährliche« zu unterscheiden, weil letztere zu einem als links angesehenen Verband gehören, wurden in scharfer Form zurückgewiesen. Die Hamburger Arbeitsgemeinschaft für Strafverteidiger sprach von einem »maßlosen Vorgehen« und von »Rechtsfeindschaft der Hamburger Polizei«.

Diese hatte in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren, in dem es um die G20-Proteste geht, die Mitgliedschaft von Vertretern im Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein RAV herangezogen, um eine angebliche Gefährdungslage zu begründen. Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer erklärte, dies stelle fundamentale rechtsstaatliche Prinzipien infrage.

»Die Polizei schafft derzeit ihr eigenes Feindrecht«, erklärte der Vorstand der Hamburger Arbeitsgemeinschaft für Strafverteidiger, Tim Burkert. Der Erste Bürgermeister von Hamburg, der SPD-Politiker Olaf Scholz, der selbst Mitglied im RAV ist, wurde ebenso wie die Senatoren für Inneres und Justiz, Andy Grote und Till Steffen, aufgerufen, »die Polizei zu rechtmäßigem Verhalten anzuhalten und zur Diffamierung des RAV Stellung zu nehmen«. Kritik übte Burkert auch am Vorgehen der Polizei gegen friedliche Demonstranten.

Der Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln, Martin W. Huff, schrieb in einem Kommentar, es sei »zu hoffen, dass die Äußerungen der Hamburger Polizei ein der Hektik im Vorfeld des G20-Gipfels geschuldeter Ausrutscher sind und kein Ausdruck einer grundsätzlichen Geisteshaltung, die von Freund-Feind-Schemata und Prinzipien der Sippenhaft geprägt ist«. Huff nannte »eine Entschuldigung gegenüber den Rechtsanwälten« das Mindeste. Zudem »wäre es vielleicht keine schlechte Idee, wenn der Regierende Bürgermeister dafür sorgen würde, dass die Hamburger Polizei sich nicht mehr selber vertritt, sondern dies ebenfalls durch Rechtsanwälte geschieht«.

Zuvor hatten bereits mehrere Verbände von Anwälten und Richtern scharfe Kritik an dem Vorgehen der Hamburger Polizei geübt. Der Präsident der Rechtsanwaltskammer Berlin, Michael Mollnau, kritisierte, »wer denVersuch unternimmt, aus der Mitgliedschaft eines anwaltlichen Vertreters in einer bundesweit anerkannten Anwaltsorganisation Nachteile für die Mandanten zu konstruieren, zeigt nicht nur, dass er mit seinem juristischen Latein am Ende ist, sondern offenbart auch bedauerliche Defizite im rechtsstaatlichen Denken«.

Die Vereinigung Berliner Strafverteidiger sprach von einem »autoritären Angriff auf das Recht selbst, der schärfsten Widerspruch verdient«. Rechtsfreie Räume drohten »keinesfalls nur da, wo staatliche Macht auf dem Rückzug wäre«, sondern seien auch dort zu beklagen, wo »Bürgerrechte staatlicherseits eingeschränkt oder außer Kraft gesetzt werden«. Eine Polizei, »welche das bürgerrechtliche Einmaleins freier Anwaltswahl nicht respektiert, sondern durch Gefahrenprognosen pönalisieren will, kann sich jedenfalls nur noch schwerlich als Verteidigerin des Rechtsstaats gerieren. Vielmehr droht sie sich zu diskreditieren«, heißt es in einer Mitteilung. Die Vereinigung Demokratischer Juristen wies das Vorgehen der Hamburger Polizei ebenso strikt zurück. Es handele sich um einen »Angriff«, der alle Anwältinnen und Anwälte betrifft.

Das Vorgehen der Polizei habe auch deshalb besondere Brisanz, weil unter dem Dach des RAV der Anwaltliche Notdienst während der G20-Proteste organisiert ist. »Der sowieso schon bei polizeilichen Großeinsätzen extrem eingeschränkte Rechtsschutz droht in Hamburg vollends außer Kraft gesetzt zu werden. Es ist zu befürchten, dass die Hamburger Polizeiführung eine Vertretung durch den Anwaltlichen Notdienst in den Gefangenensammelstellen verhindern will«, sagte die Rechtsanwältin Britta Eder aus Hamburg. tos

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