Wahlhelfer Google?

Wissenschaftler sammeln Daten zur Entschlüsselung von Algorithmen

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Welche Themen werden Internetnutzern zur Bundestagswahl angezeigt? Dominieren einzelne Parteien oder Politiker in den Suchergebnissen von Google? Diese Fragen wollen die Forscher von AlgorithmWatch mithilfe von Nutzern untersuchen. Bei dem Crowdsourcing-Projekt sollen Freiwillige per »Datenspende« den Forschern Daten übermitteln, welche Suchergebnisse Google ihnen anzeigt.

Dazu stellt das Projekt eine Browser-Erweiterung für die Browser Chrome und Firefox bereit. Nach der Installation des Plugins sucht dieses dann automatisch - sobald der Rechner angeschaltet ist und der Browser geöffnet ist - alle vier Stunden auf Google und Google News nach den Namen von allen großen Parteien und ihren Spitzenkandidaten. Anschließend werden die Suchergebnisse zu dieser festgelegten Liste von 16 Personen und Parteien an das Projekt gesendet, anonym versteht sich. Bei dem Projekt kooperiert AlgorithmWatch mit den Landesmedienanstalten Bayern, Berlin-Brandenburg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Sachsen. Sie finanzieren das Projekt.

»Wie beeinflussen uns eigentlich Algorithmen?« sei die Frage hinter dem Projekt, erklärt Katharina Anna Zweig. Die Informatik-Professorin an der Universität Kaiserslautern forscht zu den Computer-Codes. Doch auch Zweig kann die Frage nicht beantworten, weil die meisten Algorithmen von Softwarefirmen als Geschäftsgeheimnisse gehütet werden und nur wenige Details ihrer Funktionsweise bekannt sind.

Dabei bestimmen Algorithmen - also automatisierte Handlungsvorschriften in Computerprogrammen - mittlerweile viele Aspekte unseres digitalen Lebens. Ein solcher Algorithmus regelt, welche Beiträge von »Freunden« oder Facebook-Seiten, die wir mit einem »Like« markiert haben, uns in der Facebook Timeline angezeigt werden. Über den Algorithmus ist nur weniges bekannt, etwa das Facebook dem Nutzer bevorzugt Beiträge anzeigt, die ihm gefallen, um den einzelnen Nutzer so länger auf der Seite zu halten. Auch über den Algorithmus von Google ist nur wenig bekannt, teilweise zu Recht, denn der Suchmaschinenbetreiber will nicht, dass etwa Unternehmen oder Einzelpersonen durch technische Tricks ihre Beiträge möglichst weit oben in den Suchergebnissen platzieren können. Genau das probieren etwa Medienhäuser mittel SEO - der Suchmaschinenoptimierung ihrer Artikel.

Doch umgekehrt beeinflusst auch Google selbst mit seinem Algorithmus die Darstellung von Suchergebnissen. Etwa, wenn Google das eigene Preisvergleichsportal bevorzugt anzeigt. Wegen dieser Praxis hat die EU-Kommission den Internetkonzern vor kurzem zur Zahlung einer Rekordstrafe in Milliardenhöhe wegen Wettbewerbsverzerrung verurteilt.

Doch beeinflusst Google seine Nutzer auch politisch? Ist Google wie Facebook ein Teil der »Echokammer« der sozialen Medien, die Nutzern nur das anzeigt, was sie sehen wollen und damit zur politischen Polarisierung beiträgt, eben weil etwa ein AfD-Anhänger, durch das was er auf Facebook sieht, seine Weltsicht immer wieder bestätigt bekommt?

Der Internetkonzern selber sagt Google personalisiere die Darstellung von Nachrichtenartikeln nicht. Mit AlgorithmWatch wolle man überprüfen, ob Google und Google News dies tatsächlich nicht tun, sagt Computerforscherin Zweig. Sie sieht das Projekt nicht als Misstrauensvotum gegen Google, sondern als Beitrag dazu, »wie wir als Gesellschaft allgemein Algorithmen kontrollieren können, die Öffentlichkeit herstellen und beeinflussen«. Mit dem Projekt wolle man »einen kleinen Teil des Schleiers lüften«.

Die Datensammlung könnte Fragen beantworten wie »Sehe ich andere Nachrichten als ein Linker?« und »Wie stark ist die Quellenvielfalt?«, so Zweig. Doch mit den gesammelten Daten können auch brisantere tagesaktuelle Fragen geklärt werden, etwa ob durch Interessengruppen oder auch bestimmte Medienportale im Inland oder etwa Blogs aus dem Ausland »bestimmte Themen nach oben gespült werden«.

Das die Wahlen in Deutschland durch Google News oder das gezielte »Pushen« gewisser Themen entscheidend beeinflusst werden kann, glaubt Zweig übrigens nicht. Zwar laufen in Deutschland 90 Prozent aller Internetsuchen über Google. Doch weil der Medienmix in Deutschland stark sei, weil viele Menschen ihre News auch über Radio und gedruckte Tageszeitungen erhalten, gäbe es aktuell wenig Spielraum für wirksame Online-Manipulation mittels Algorithmen.

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