Waffenruhe in einem Teil Syriens vereinbart
Putin und Trump einig über Feuerpause in syrischen Provinzen Daraa und Kunaitra / Vorwurf der Wahlkampf-Einmischung war auch Thema
Lange haben die Journalisten am Freitag im G20-Medienzentrum warten müssen, um etwas Substanzielles weiterzumelden. Dann wurde bekannt: Russland und die USA sind sich einig, dass zumindest in den syrischen Provinzen Daraa und Kunaitra die Waffen schweigen sollen. Das bestätigte der russische Außenminister Sergej Lawrow, der wie sein US-Kollege Rex Tillersen dabei war, als ihre Staatschefs Wladimir Putin und Donald Trump sich am Randes des Hamburger Gipfels zum ersten Mal Auge in Auge begegneten.
Beginnen soll die Waffenruhe am Sonntag um 12.00 Uhr Ortszeit (11.00 Uhr MESZ). »Die USA haben die Verpflichtung übernommen zu überwachen, dass alle Gruppierungen, die sich dort befinden, die Waffenruhe einhalten«, sagte Lawrow der Nachrichtenagentur Tass.
Auch Tillerson wertete das Übereinkommen als einen gemeinsamen Erfolg. Zu dem sich hoffentlich weitere gesellen, betonte er. Zugleich machte der US-Außenamtschef klar, das Russland und die USA zum Problem Syrien weiter große Meinungsverschiedenheiten haben. Aus Sicht Washingtons gibt es für die Familie Assad keinerlei politische Zukunft. Doch darüber, wie eine Machtübergabe an wen erfolgen kann, werde noch zu reden sein. Dem kann Lawrow mühelos zustimmen.
Doch der Waffenstillstandserfolg nach rund sechsjährigen erbitterten Kämpfen relativiert sich beim genaueren Hinschauen. Nicht nur, dass es sich um ein begrenztes Gebiet handelt. In ihm haben vor allem Kämpfer des syrischen Al Qaida-Ablegers noch feste Bastionen. Da diese Terrorgruppierungen von den USA wie von Russland gleichermaßen bekämpft werden, war eine Einigung leicht. Zumal sie eine Isolierung der Terroristen ermöglicht. Anders ist das mit den Anti-Assad-Einheiten wie der sogenannten Freien syrischen Armee, die vom Westen unterstützt werden.
Schon einmal hatte es in diesem Gebiet eine von der aus Damaskus kommandierten Armee getragene Feuerpause gegeben. Sie war von Russland, den USA und Jordanien vermittelt worden. Nun hat offenbar Putin auch Israel ins Boot geholt. Es hat, wie zu hören war, mehrere Telefonate zwischen ihm und dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu gegeben.
Putin und Trump hatten sich am Freitag in Hamburg mehr Zeit zum Gespräch genommen, als ursprünglich vereinbart worden war. Weitere Themen waren der Konflikt in der Ukraine sowie die Provokationen von und gegen Nordkorea. Als Journalisten nach dem Thema Cyberattacken fragten, wurde Tillerson einsilbig. Er bestätigte, Trump habe mehrmals das Thema einer angeblichen russischen Einmischung in den vergangenen US-Wahlkampf angesprochen und Putin habe wie bisher auch geantwortet. An den Gerüchten sei nichts dran.
Auch wenn wenig Inhaltliches über die bilateralen Gespräche nach außen drang, so ist doch zu bemerken: Die USA und Russland haben wieder einen Draht zueinander gefunden. Zudem scheint der US-Präsident langsam den Unterschied zwischen Politclownerie und echter Politikgestaltung zu ahnen. Putin hat ihn bei dem Lernprozess offenbar unterstützt. Beispielsweise indem er nicht auf Trumps Ausfälle gegen sein Land einging, mit denen der US-Präsident in Warschau unmittelbar vor dem G20-Gipfel polnische Anti-Russland-Ressentiments bediente.
Und noch eines ist bemerkenswert. Russland ist wieder zurück in der Weltpolitik. Und vor allem in EU-Europa. Nicht von ungefähr unterstützt Putin Angela Merkel, die aktuelle G20-Chefin, die als Gipfelgastgeberin versucht, tragfähige Kompromisse zwischen den höchst unterschiedlichen Teilnehmern zu finden – bei denen sich niemand verbiegen muss und die dennoch eine globale Zukunft ermöglichen. Wie kritikwürdig auch immer die nach ihrer Sicht aussehen mag. Im Gegensatz zu den USA, die aus dem Pariser Klimavertrag aussteigen, bekennt sich Putin nachdrücklich zur Unterschrift Russlands. Die Erwartung, dass die EU demnächst einige ihrer nach der Annexion der Krim und den Kämpfen in der Ostukraine erlassenen Anti-Russland-Sanktionen lockert, ist nicht weit hergeholt. Zumal Putin bestätigte, dass er das Abkommen von Minsk zur Entschärfung des Konfliktes weiter anerkennt.
Dass Russland die Annäherung an die EU und vor allem an Deutschland sucht, hat gewiss auch mit Merkels neuem Freund zu tun. Der »Nebenbuhler« heißt Xi Jinping und ist Chinas Präsident. Er nimmt nicht nur wegen seiner Körpergröße eine recht dominierenden Platz beim Hamburger G20-Gipfel ein.
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