Untersuchungshaft für Menschenrechtler in der Türkei

Auch örtliche Amnesty-Direktorin Eser von Repression betroffen / LINKE-Politikerin Dagdelen fordert Reisewarnung / Merkel fordert Freilassung

  • Lesedauer: 3 Min.

Istanbul. Ein türkisches Gericht hat der Menschenrechtsorganisation Amnesty International zufolge am Dienstag Untersuchungshaft für sechs Aktivisten angeordnet. Zu ihnen zählt auch die Amnesty-Direktorin in der Türkei, Idil Eser. Unter den zunächst zehn Festgenommenen war auch ein Deutscher.

Eser, sieben andere Menschenrechtler sowie zwei ausländische Ausbilder waren am 5. Juli auf einer Insel vor Istanbul festgenommen worden. Die Aktivisten hatten laut Amnesty in einem Hotel auf Büyükada an einem Workshop zur IT-Sicherheit teilgenommen. Bei den Ausbildern handelt es sich um einen Deutschen und einen Schweden. Die zehn Festgenommenen waren am Montag erstmals von der Anklage in Istanbul angehört worden. Wie Andrew Gardner von Amnesty mitteilte, seien die anderen vier Aktivisten unter Auflagen freigekommen.

»Das ist ein Angriff auf die gesamte Menschenrechtsbewegung in der Türkei«, erklärte Gardner. »Das ist eine existenzielle Bedrohung der Menschenrechtsbewegung und von Amnesty International in der Türkei.«

Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte die Menschenrechtler in die Nähe der Putschisten vom 15. Juli vergangenen Jahres gerückt. Beim G20-Gipfel in Hamburg hatte er gesagt, die Versammlung, bei der sie festgenommen wurden, habe in ihrem Charakter »einer Fortsetzung des 15. Juli« entsprochen. Erdogan macht die Bewegung des Predigers Fethullah Gülen für den Putschversuch verantwortlich.

Erst im Juni war gegen den Landesvorsitzenden von Amnesty International in der Türkei, Taner Kilic, Untersuchungshaft verhängt worden. Auch ihm werden Verbindungen zur Gülen-Bewegung vorgeworfen.

Die LINKE-Politikerin Sevim Dagdelen hat das Auswärtige Amt am Dienstag aufgefordert, eine Reisewarnung für die Türkei auszusprechen. »Angesichts der Strategie des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, Ausländer als Geiseln zu nehmen, muss die Bundesregierung ihren Kurs gegenüber Ankara ändern«, sagte Dagdelen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) seien für das weitere Schicksal von Steudtner, des »Welt«-Korrespondenten Deniz Yücel und der Journalistin Mesale Tolu und anderer deutscher Staatsbürger in türkischer Haft mitverantwortlich.

Merkel müsse Erdogan »unmissverständlich deutlich machen, dass es so nicht weiter gehen kann«, forderte auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Erdogan habe »eine weitere Eskalationsstufe im deutsch-türkischen Verhältnis« eingeleitet. Merkels Strategie, Erdogan »mit demonstrativer Gelassenheit zu begegnen«, sei gescheitert.

Am Dienstagabend äußerte sich die Kanzlerin zur Inhaftierung des deutschen Menschenrechtlers Peter Steudtner und forderte dessen Freilassung. »Wir sind der festen Überzeugung, dass diese Verhaftung absolut ungerechtfertigt ist«, sagte Merkel beim Sommerfest am Sportzentrum Kienbaum östlich von Berlin. »Wir werden seitens der Bundesregierung alles tun, auf allen Ebenen, um seine Freilassung zu erwirken. Es ist leider ein weiterer Fall, wo aus unserer Sicht unbescholtene Menschen in die Mühlen der Justiz und damit auch in Haft kommen. Deshalb ist das ein Grund zu allergrößter Sorge.«

Unterdessen hat die Bundesregierung angekündigt, den Journalisten Deniz Yücel in seinem Verfahren gegen die Türkei vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu unterstützen. Das kündigten Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) und Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) in der »Welt« an. Altmaier erklärte: »Seit 155 Tagen sitzt Deniz Yücel in Haft, seit 140 Tagen in Isolationshaft. Bis zum heutigen Tag ist ihm keine Anklageschrift vorgelegt worden. Dieses Vorgehen entspricht in keiner Weise einem rechtsstaatlichen Verfahren.« Agenturen/nd

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