30 Bürgermeister haben genug

Sizilianische Gemeinden widersetzen sich der von Rom exekutierten Flüchtlingsverteilung

  • Wolf H. Wagner, Florenz
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Gemeinden Siziliens haben sich in den vergangenen Jahren gegenüber den ankommenden Bootsflüchtlingen solidarisch und großzügig gezeigt. Selbst nicht gerade mit Reichtum geschlagen, reichten sie den Ankömmlingen die Hand und versuchten, sie wenigstens für die ersten Wochen nach der Flucht über das Mittelmeer in Sicherheit zu bringen.

Die Geduld hat nun offensichtlich ein Ende gefunden: Bereits bei den Kommunalwahlen im Juni wurde die Bürgermeisterin von Lampedusa, Giusi Nicolini, abgewählt. Nun beschlossen im Nordosten Siziliens, im Bereich des Naturparks Nebrodi, 30 Bürgermeister, gegen die von Rom verordnete Einwanderungspolitik Widerstand zu leisten. Der Tenor des Protestes: Es reicht, wir können keine weiteren Migranten aufnehmen. Seit dem Wochenende errichten die Einwohner der Nebrodi-Gemeinden - angeführt von ihren Bürgermeistern - Barrikaden vor den Flüchtlingsunterkünften und verhindern so weiteren Zuzug.

Ein Beispiel ist Castell’Umberto. Im Hotel »Canguro« quartierte die Präfektur von Messina auf Geheiß des Innenministeriums 50 Einwanderer aus Afrika ein. Bürgermeister Vincenzo Lionetto wurde davon erst informiert, als die Gäste schon eingetroffen waren. Laut Gesetz sollten je 1000 Einwohner 2,5 Flüchtlinge auf die Gemeinden verteilt werden. Für die 3278 Einwohner zählende Gemeinde Castell’Umberto wären dies acht statt 50 Migranten. »Ich muss meine Bürger vor einer Invasion schützen, Schuld tragen nicht die Flüchtlinge, sondern die Politiker«, so Lionetto. Gemeinsam mit 29 Amtskollegen aus der Region wehrt er sich gegen die Zentralpolitik aus Rom, die Entscheidungen trifft, ohne sich mit den örtlichen Behörden abzustimmen. Die rechtspopulistische Lega Nord begrüßt das Vorgehen. Doch auch die Regierung Paolo Gentilonis befindet sich in einer Zwickmühle: Von den libyschen Küsten drängen immer mehr Migranten nach Europa, Italien ist dabei die erste Anlaufstation. Doch die EU-Partner verweigern sich bei der Aufnahme der Migranten, so muss Italien selbst mit den Menschenströmen umgehen.

In dieser Situation kommt seitens der früheren Außenministerin Emma Bonino, Politikerin der Radikalen, ein Vorschlag, der auch vom demokratischen Senator Luigi Manconi unterstützt wird. Beide Politiker berufen sich auf die EU-Direktive 55 von 2001, nach der im Falle des Notstandes die Behörden eines Mitgliedslandes Dokumente zur freien Passage innerhalb der EU ausstellen können. Die Londoner »Times« befürchtet schon, dass Italien auf diese Weise 200 000 Flüchtlinge über die europäischen Grenzen schicken könnte.

Rom reagiert damit auf die zurückhaltende bis abwehrende Haltung der anderen Mitglieder, die - einschließlich Deutschlands - eine Schließung ihrer Häfen für Flüchtlingsschiffe angeordnet hatten. Aus Regierungskreisen verlautet, es handele sich um Notwehr. Allerdings räumen auch italienische Europarechtler ein, dass die Umsetzung des Dekrets 55 nicht so einfach zu handhaben sei. Sollten sich die inländischen Proteste wie die der Sizilianer mehren, muss sich die Gentiloni-Administration etwas einfallen lassen, wie sie das Problem nach innen wie außen lösen will. An der Küste Libyens warten bereits weitere Hunderttausende auf den Sprung über das Mittelmeer.

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