Terror gegen Menschenrechtler
Die Türkei nimmt erneut Aktivisten unter bizarren Anschuldigungen in Untersuchungshaft
Berlin. Amnesty International hat die internationale Staatengemeinschaft angesichts der Verhaftungen von Menschenrechtlern in der Türkei zum Handeln aufgefordert. »Alle Staats- und Regierungschefs sind gefordert, Druck auszuüben, damit Idil Eser und die anderen Menschenrechtsverteidiger sofort und bedingungslos freigelassen werden«, teilte der Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, Markus N. Beeko, am Dienstag mit.
Wieder ein Aufruf zu handeln, wieder Menschen in Haft, wieder in der Türkei. Ein deutscher Menschenrechtler und fünf weitere Aktivisten sind dort wegen angeblicher Terrorunterstützung in Untersuchungshaft genommen worden. Ein Gericht in Istanbul entschied am Dienstag, den Deutschen Peter Steudtner, die türkische Amnesty-Direktorin Idil Eser und vier weitere Beschuldigte bis zum Beginn ihres Prozesses zu inhaftieren, wie die Menschenrechtsorganisation Amnesty International mitteilte.
Eser, sieben andere türkische Menschenrechtler sowie Steudtner und ein schwedischer Kollege waren am 5. Juli auf einer Insel vor Istanbul festgenommen worden. Vier von ihnen seien am Dienstag unter Auflagen freigekommen, sagte der Türkei-Experte von Amnesty International, Andrew Gardner. Den sechs in Untersuchungshaft befindlichen Aktivisten würden »Verbrechen im Namen einer Terrororganisation« zur Last gelegt.
Im Zuge der Repressionswelle nach dem Putschversuch vor einem Jahr sind nach Erkenntnissen der Bundesregierung bislang 22 deutsche Staatsbürger in der Türkei festgenommen worden. Das geht aus einer Antwort des Auswärtigen Amtes auf eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Özcan Mutlu hervor. 13 Betroffene wurden demnach wieder aus der Haft oder dem Polizeigewahrsam entlassen. Nach den Angaben der Bundesregierung handelte es sich bei den 22 Fällen sowohl um Doppelstaatsbürger als auch um Personen nur mit der deutschen Staatsbürgerschaft.
Zu den betroffenen Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft gehört auch der »Welt«-Korrespondent Deniz Yücel. Bei dessen Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte will ihn nun die Bundesregierung unterstützen. Das bestätigte das deutsche Justizministerium der »Welt«. Deutschland bezieht damit Position in einem Verfahren, in dem Yücel Beschwerde gegen seine Behandlung durch die türkische Justiz eingereicht hat.
Auch im Streit um das Besuchsverbot für deutsche Abgeordnete zeichnet sich keine Lösung ab. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat Forderungen nach einer eindeutigeren Positionierung im Streit um das Besuchsverbot für deutsche Abgeordnete in der Türkei zurückweisen lassen. Ein Sprecher machte am Dienstag deutlich, dass die Bündniszentrale in der Vermittlerrolle bleiben werde. Agenturen/nd
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