Brauner Schatten auf der FPÖ
FPÖ-Abgeordneter Johannes Hübner hielt Rede mit antisemitischen Anspielungen / Sozialdemokraten und Konservativen wollen nicht koalieren
Wien. Als Sammelbecken für Alt-Nazis stand die FPÖ seit ihrer Gründung unter Verdacht, welche führende Repräsentanten durch eindeutig zweideutige Anspielungen auch immer wieder nährten. Von Jörg Haiders Lob für die »ordentliche Beschäftigungspolitik im Dritten Reich« im Jahr 1991 über die Beschimpfung von Wehrmachtsdeserteuren als »Kameradenmörder« durch den blauen Bundesrat Siegfried Kampl bis zu offen antisemitischen Karikaturen auf der Facebook-Seite von Parteichef Heinz-Christian Strache reicht die lange Liste.
30 Jahre lang wanderte die FPÖ auf dem schmalen Grat zwischen dem Spekulieren auf den Beifall der Ewiggestrigen und dem Distanzieren von diesen im Fall zu großer Empörung der Öffentlichkeit. Weil dies sowohl der Glaubwürdigkeit als auch der Salonfähigkeit schadete, versucht Strache das Problem seit einiger Zeit aktiv mit demonstrativer Juden- und Israelfreundlichkeit anzugehen.
Das traf sich insofern gut, als das engagierte Auftreten gegen Antisemitismus zwei Fliegen auf einen Schlag trifft: Die FPÖ meint nämlich hauptsächlich den »neuen« Antisemitismus, also den von so manchem Flüchtling aus dem arabischen Raum nach Österreich mitgebrachten. Das passt gut in die migrationsfeindliche Agenda der FPÖ und lenkt gleichzeitig vom »alten« Antisemitismus ab.
Zur Wahl hervorgeholt
Doch jetzt wird diese Strategie von einer mit 13 Monaten Verspätung bekannt gewordenen Rede durchkreuzt: Im Juni 2016 hatte der FPÖ-Nationalratsabgeordnete Johannes Hübner bei einem Kongress der rechtsextremen Gesellschaft für freie Publizistik in Thüringen einen Vortrag mit eindeutig antisemitischen Passagen gehalten. So nannte er den Schöpfer der österreichischen Verfassung, Hans Kelsen, »eigentlich Hans Kohn, aber er hat sich Kelsen genannt«. Mit dem »Kohn«-Kalauer machten Nazis in Österreich schon in den 1930er-Jahren Stimmung gegen die Juden. Kelsen hieß niemals Kohn, der Hinweis ist bloß eine Nazi-Chiffre für »Jude«.
Weiter beklagte sich der außenpolitische Sprecher der FPÖ in seinem Thüringer Vortrag darüber, dass in Zeitungsberichten über seine Partei immer wieder »sogenannte Holocaustüberlebende« zu Wort kämen?
Dass diese Rede erst jetzt Wellen schlägt, hat natürlich mit dem angelaufenen Wahlkampf zu tun. Irgendjemand hat den Mitschnitt aufgehoben für den richtigen Zeitpunkt – und spielte ihn nun der Zeitung »Standard« zu. Der wahltaktisch gewählte Veröffentlichungstermin mindert nicht den Erklärungsnotstand, in dem sich Hübner nun befindet. Nur seine Partei glaubt ihm, dass er alles gar nicht so gemeint hat, wie es klingt. Hübner habe »glaubhaft versichert, dass jedweder Vorwurf in Richtung einer antisemitischen Intention von Passagen seines Vortrages nicht den Tatsachen entspricht«, teilte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl mit.
Rückschlag für Koalitionsfähigkeit
Damit ist die Affäre aber nicht aus der Welt. Nicht nur die Israelitische Kultusgemeinde verlangt Hübners Rücktritt, auch aus allen anderen Parteien tönen entsprechende Forderungen. Sollte die FPÖ an dem Abgeordneten festhalten, könnte dies Einfluss auf den Koalitionspoker nach der Wahl haben. Denn sowohl SPÖ als auch ÖVP schließen eine Koalition mit einer FPÖ aus, in der Hübner noch eine Funktion hat. »Absolut nicht vorstellbar« ist das für ÖVP-Generalsekretärin Elisabeth Köstinger.
Noch setzt die FPÖ darauf, dass sich - wie in der Vergangenheit - die Aufregung wieder legen wird. Hübner selbst betrachtet die Affäre als »Sturm im Wasserglas, um das Sommerloch zu füllen«. Nicht auszuschließen freilich, dass ihn dieses Sommerloch verschluckt, wenn er von Strache auf dem Altar einer künftigen Regierungsbeteiligung geopfert wird.
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