Erste-Hilfe-Box für Bücher und wichtige Akten
Rheinland-Pfalz: Nothilfe im Landtag neu organisiert
»Wasser, Wasser aus der Decke«, ruft der Azubi des rheinland-pfälzischen Landtagsarchivs. Leiterin Monika Storm eilt herbei und sieht, wie Sturzbäche in die Räume fließen. Schuld ist eine tote Taube, die eine Dachrinne blockiert. Das Wasser eines Starkregens fließt nicht ab, sondern dringt ins Gebäude - bis ein Teil der abgehängten Decke herunterkommt.
»Der Hausmeister wollte erst die PCs retten, aber ich rief: Nein, die Akten!«, erzählt Storm den Vorfall aus dem Jahr 2000. In Zukunft sollen die Archivalien bei solch einem Unglück schneller und gezielter gerettet werden. Dafür hat sich der Landtag Notfallboxen gekauft. Darin: Schwämme, Bürsten, Tüten und Folien für die Akten, dazu Gummistiefel, Overalls, Handschuhe und Masken für die Mitarbeiter.
»Das dient der Erstversorgung, damit man nicht tagelang durch die Baumärkte ziehen muss, sondern alles auf einen Griff hat«, sagt Storm. Nasses Papier könne schon nach einem Tag schimmeln. Es sei wichtig, die Unterlagen gut einzupacken und einzufrieren. Als Verpackung dienen Gefriertüten und Frischhaltefolie, damit die Akten im Gefrierschrank nicht aneinanderkleben. Wichtig seien auch beschreibbare Klebezettel. »Damit man, wenn das Originaletikett abfällt, weiß: Was hat man da eigentlich gerettet?«
In den kommenden Monaten will die Landtagsverwaltung dem Mainzer Notfallverbund beitreten - dann können Experten aus anderen Archiven, Bibliotheken und Museen bei einem Schaden zu Hilfe eilen. In der Stadtbibliothek Mainz gibt es die Boxen zum Beispiel schon seit drei Jahren. »Glücklicherweise waren sie noch nicht im Einsatz«, sagt die stellvertretende Amtsleiterin Annelen Ottermann. Die Mitarbeiter würden jedes halbe Jahr geschult.
Ottermann erinnert an den Einsturz des Kölner Stadtarchivs wegen eines Fehlers beim U-Bahn-Bau im Jahr 2009. Und an den verheerenden Brand in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek 2004 - wo nicht nur die Flammen, sondern auch das Löschwasser der Feuerwehr die Rettung der historischen Bestände erschwerten. Bei einem solchen Notfall müssten alle Aktenretter die betroffene Institution kennen und wissen, was zu tun ist. »Sonst steht man eher im Weg als dass man behilflich ist.«
Ähnliche Notfallverbünde wie in Mainz gibt es in Rheinland-Pfalz auch in Koblenz und Speyer. 2016 hätten in Koblenz etwa zwei Dutzend Archivare und Bibliothekare einen Wasserschaden mit Bergung simuliert, sagt die dortige Vorsitzende des Notfallverbandes, Arlett Kost. Dabei hätten sie gemerkt, wie wichtig es sei, die Akten gut zu verpacken. »Der Karton war patschnass, aber innen drin war nur die Außenhülle feucht.«
In Speyer, wo sich gleich zehn Institutionen zusammengeschlossen haben, gab es zuletzt eine Brandübung. »Wir haben gesehen, wie sich das Feuer im Regal ausbreitet«, sagt Armin Schlechter von der Pfälzischen Landesbibliothek. Und beim Löschen sei ihnen aufgefallen, dass die Feuerwehr zwar darauf bedacht ist, alle Glutnester zu erwischen - und dabei nicht an den Schutz der Dokumente denkt. »Durch die Übungen wissen wir, was wir brauchen - zum Beispiel welche Handschuhe.«
Zwar sind die Bibliotheken und Archive schon seit Jahren damit beschäftigt, ihren Bestand zu digitalisieren, so auch im Landtag. »Es wird aber noch viele Jahre dauern«, prophezeit Landtagspräsident Hendrik Hering (SPD). Auch seien die Schriftstücke Kulturgut, das erhalten werden müsse, sagt Storm. »Es gibt die Kraft des Originals.« dpa/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.