Der Schweinehund hat Stubenarrest

Täglich läuft Robby einen Marathon, doch für ein gutes Video können schnell noch ein paar Kilomter draufkommen

  • Heidi Diehl
  • Lesedauer: 4 Min.

Ich »erwische« ihn beim Packen irgendwo etwa einen Marathon entfernt von Fredericksburg in Virginia. Seit unserem letzten Plausch in New York stecken weitere rund zehn Marathons in Robbys Waden - er rennt und rennt, und mir bleibt gar nichts weiter übrig, als ihm verbal hinterherzulaufen. Philadelphia erreichte er planmäßig am 17. Juli, und geplant war auch, dort erneut die berühmte Rocky-Treppe zum Philadelphia Museum of Art hinaufzulaufen. Bereits 2008, als Robby die Welt umrundete, machte er es wie Sylvester Stallone in seinem Film »Rocky« als Boxer Rocky Balboa: Er rannte die 72 Stufen hinauf und reckte, oben angekommen, siegessicher die Faust in die Luft als wollte er sagen: »Seht her, ich kann alles schaffen, wenn ich es nur will.« Natürlich postete Robby davon auch ein Foto auf seiner Facebookseite und erntete viele begeisterte »Gefällt mir«-Klicks. Wenn die Fans gewusst hätten, dass Robby für dieses Video die Treppe zigmal hoch und runter gerannt ist, sie wären noch mehr aus dem Häuschen, als sie es ohnehin von ihrem »Idol« schon sind. »Denn«, so erzählte der Läufer, »ich habe ja zur Zeit niemanden, der mich filmen kann, und so muss ich mir halt was einfallen lassen, damit gute und vor allem auch aussagefähige Videos zusammenkommen. Einmal bin ich die Treppe gelaufen und habe mich dabei mit dem Handy selbst gefilmt. Ein zweites Mal habe ich die Kamera oben auf die Treppe gelegt, bin wieder runtergerannt, um dann der aufnehmenden Kamera entgegenzulaufen. Und da nicht alles gleich so war, wie ich es wollte, habe ich alles noch mal wiederholt. Zuletzt musste ich aus den Einzelteilen nur noch ein passendes Ganzes basteln, um es für meine Fans zu posten. Ein Boxer, der zu Trainingszwecken mehrfach die Treppe hoch und runterlief, sprach mich später an und fragte, was ich denn da mache. Als ich ihm erklärte, dass ich hier nur eine Dokumentation auf meinem Weg vom Nordpol zum Südpol erstelle, blieb ihm vor Staunen der Mund offen stehen. Bevor wir uns trennten, machten wir noch ein gemeinsames Foto zur Erinnerung.«

Robby Clemens an der Rocky Treppe in Philadelphia

Solche Erlebnisse hat Robby fast täglich. Schon etliche Male ist es passiert, dass Autos anhielten und den Mann, der rennenderweise einen Kinderwagen vor sich hinschob, fragten, ob es ihm gut gehe, ob mit ihm alles in Ordnung sei, und ob sie ihm irgendwie helfen können. Einer bot Robby sogar 20 Dollar an, damit er sich ein Taxi nehmen könne, um in den nächsten Ort zu gelangen. Immer wieder schaut er dann in ungläubige Gesichter, wenn er erzählt, warum er in diesem Aufzug unterwegs ist.

»Hat bei solchen Angeboten noch nie Dein innerer Schweinehund gesiegt?«, möchte ich wissen. »Nee, ich werde mich doch nicht selbst betrügen«, lautet die Antwort. »Und im Übrigen habe ich dem Schweinehund zuhause in Hohenmölsen für die nächsten zwei Jahre Stubenarrest verordnet, so hat er null Chance, mich irgend in Versuchung zu bringen.«

Am 22. Juli erreichte Robby Washington, und natürlich führte ihn sein erster Weg zum Weißen Haus, wo er nach dem gleichen Prinzip wie in Philadelphia ein Video für die Fans drehte. »Wenn ich gerade dachte, nun endlich die richtige Position zu haben, kam garantiert jemand und schubste mich ein Stück zur Seite. Und schon war zwar ich noch im Bild, aber das Weiße Haus nicht mehr. Also machte ich einen neuen und einen neuen und einen neuen Versuch bis alles stimmte.«

Robby vor dem Weissen Haus in Washington

Auf solche Details muss Robby beim täglichen Laufen zum Glück nicht achten, da geht es immer etwa die Strecke eines Marathons dem Navi nach, das ihn bislang sicher ans Ziel gebracht hat. Noch etwa 1000 Kilometer liegen bis Atlanta vor ihm, dann endlich wird er nicht mehr ganz allein unterwegs sein. Seine Frau Bärbel wird ihn dann als »Mädchen für alles« begleiten - im Auto. Das werden sie in Atlanta gebraucht für kleines Geld kaufen. Wenn Robby abends in sein Ziel einläuft, wird Bärbel schon da sein. Dann kann Robby endlich auch ohne sein gesamtes Gepäck laufen, und auch die nötigen Einkäufe sind erledigt. »Ich freu mich sehr darauf, nicht mehr allein unterwegs zu sein, denn trotz allem Trubel um mich herum ist es manchmal schon sehr einsam«, erzählt Robby. »Bärbel wird mich sechs Wochen begleiten, dann übernimmt ein Fan aus Leipzig für ein paar Wochen bis Ende November. Wenn jemand noch nicht weiß, was er im Dezember machen soll, ich könnte da gut jemanden gebrauchen, der den Staffelstab und das Auto dann übernimmt.«

Übrigens, so verriet Robby, wenn alles gut geht wird er ab Mitte August mit GPS laufen, so dass die Fans zuhause sehen können, wo er sich gerade befindet. Wenn es soweit ist, werde ich Ihnen mitteilen, was Sie tun müssen, um ihn live zu verfolgen.

Bis dahin: Bleiben Sie Robby treu, und wenn Sie ihn auch finanziell unterstützen wollen, dann können Sie das über seine Website https://robbyclemens.de. Dort gibt es den Button »Unterstützung«, unter dem alles notwendige erklärt wird.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.