LINKE kritisiert europaweite BKA-Datenabfrage vor G20-Gipfel

Anfrage an die Bundesregierung ergibt intensiven Austausch über Aktivisten - in Teilen »rechtswidrig«, sagt der Bundestagsabgeordnete Hunko

  • René Heilig
  • Lesedauer: 2 Min.

Trotz zahlreicher Forderungen ist die Bundesregierung offenbar nicht gewillt, das viel kritisierte Agieren der Sicherheitsbehörden im Umfeld des G20-Gipfels zu analysieren. Ihr kommt zupass, dass die Parlamentsarbeit im Urlaubsmodus läuft.

Der hat Andrej Hunko nicht ergriffen. Der Bundestagsabgeordnete der LINKEN fragte die Regierung, wie und mit wem die Sicherheitsbehörden Personendaten von linken Aktivisten ausgetauscht haben, um deren Aus- und Einreise zu unterbinden oder andere polizeiliche oder geheimdienstliche Maßnahmen gegen diese Personen vorzubereiten. Ergebnis: Das Bundeskriminalamt (BKA) hatte als Zentralstelle ergiebige Kontakte zu sogenannten PWGT-Stellen (Police Working Group on Terrorism) in Belgien, Bulgarien, Dänemark, Frankreich, Finnland, Griechenland, Großbritannien, Italien, Island, Kanada, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Polen, Schweden, der Schweiz, der Slowakei, Spanien, Tschechien, Ungarn und den USA.

Der PWGT gehören neben den EU-Staaten auch Norwegen, Island, die Schweiz und Kroatien an. Das Netzwerk wurde 1979 als »Informelle Arbeitsgruppe Terrorismus« gebildet. Das BKA hat bei der Einrichtung der PWGT entscheidend mitgewirkt und stattete sie im Jahr 2000 mit einem Informationssystem aus. In früheren Stellungnahmen hob die Bundesregierung vor allem eine Bedeutung hervor: Es gehe um das »Herstellen und die Pflege persönlicher Kontakte«.

Das ist als Arbeitsgrundlage nicht nur ziemlich schwammig, sondern höchst fragwürdig. Andrej Hunko meint, mit der Gründung von Europol hätte die PWGT längst aufgelöst werden müssen. »Stattdessen wird die undurchsichtige Struktur in ganz Europa zur Kriminalisierung von linkem Aktivismus genutzt.« Die PWGT agiere dabei »wie ein crowd-basierter Geheimdienst«. Vor oder nach Gipfelprotesten und sogenannten Grenzcamps werden beispielsweise Namenslisten an das PWGT-Netzwerk verschickt. Das, so Hunko, sei »in Teilen rechtswidrig«.

Betroffen sind zum großen Teil Personen, die lediglich polizeilich festgestellt, aber niemals angeklagt oder verurteilt wurden. Solche Verdachtsdateien dürfen nicht zur Verhängung von Zwangsmaßnahmen dienen. Trotzdem werden sie von der Bundespolizei genutzt, um Personen an der Grenze zu stoppen. Auch bei den G20-Vorbereitungen agierte die Bundespolizei in einer Grauzone. Da sie nicht selber auf Personendaten aus den Nachbarländern und nichteuropäischen Staaten zugreifen kann, lud man Verbindungsbeamte ein, die dann solche Abfragen erledigten.

Auch der Verfassungsschutz habe »personenbezogene bzw. -beziehbare Daten« ausgetauscht, sagt die Regierung. Welche mit wem, das bleibt mit dem stereotypen Hinweis auf ein angebliches »Staatswohl« geheim.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -