Ministerin im Schatten

Im Kino: In »The Party« zieht Sally Potter die politische Krise ins Private

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 4 Min.

Vom doppeldeutigen Titel an ist nichts so wie es scheint in »The Party«, dem neuen Werk von Großbritanniens Indie-Veteranin Sally Potter. »The Party«, das bedeutet einmal die Partei - und dann: die Party. Ein Stelldichein unter Freunden, einberufen zur Feier der Ernennung von Janet (Kristin Scott Thomas) zur Schattenministerin einer (wie sich bald von selbst versteht) unerschütterlich linken Oppositionspartei: der britischen Labour Party.

Zur Ernennungs-Party erscheinen, neben der Gastgeberin in Arbeitskluft mit Schürzchen drüber, deren ziemlich abgehalfterter Gatte Bill (Timothy Spall). Dazu ihre beste Freundin April (Patricia Clarkson, deliziös spitzzüngig wie immer) und deren Lebensgefährte Gottfried (Bruno Ganz als Heilerfigur in Nehru-Joppe). Außerdem Bills alte Weggefährtin Martha (Cherry Jones) mit jüngerer Ehefrau Jinny (Emily Mortimer, immer eine Nervensäge). Und zuguterletzt - ziemlich aus der Reihe der linken, unangepassten, liberal-solidar-lesbisch Freidenkenden fallend - der hübsche junge Tom (Cillian Murphy), eingeladen, weil er der Banker-Gatte einer (anscheinend ebenfalls sehr gut aussehenden) Mitarbeiterin von Janet ist, über die zumindest April nichts Gutes sagen mag.

Ein Banker also, ein koksschnupfender, sichtlich unter Strom stehender Überkapitalist im Maßanzug. Der böse Feind aller Anwesenden, oder jedenfalls: das böse Feindbild. Nur dass Tom, dessen Gattin zunächst auf sich warten lässt, aus einem bestimmten Grund vorab und ganz allein erschienen ist, allerlei Entschuldigungen plappernd, warum Marianne, die Gattin, es erst zu Ende des Essens in die traute Runde schaffen wird. Tom, der Außenseiter, der (schließlich ist er Banker!) ganz und gar gewissenlose Tom, wird der Katalysator sein, der die liebgewordenen Überzeugungen der anderen bald ganz gewaltig auf die Probe stellt.

Denn »The Party« ist ein Film über die Wahrheit - oder eher darüber, wie selten sie im politischen, aber auch im privaten Kontext je zum Einsatz kommt. Nach einer Woche Proben in zwei Wochen Studioarbeit schnell gedreht, im großen Format und in Schwarzweiß (auch wenn dies Schwarzweiß eher nach weggekürzter Farbe aussieht), ein Film, dessen Handlung in Echtzeit (und in knackig-kurzen 71 Minuten) abläuft, in denen die Einheit von Zeit und Ort perfekt gewahrt bleibt. Der Film beginnt mit einer Tür, die sich öffnet. Dahinter steht eine elegante Frau, vorübergehend derangiert und aus der Fassung, die langsam die Waffe hebt - in Richtung Zuschauer. Oder eher: in Richtung Tür. Ein Anfang, der auf manches vorbereitet, was da kommen soll. Dann beginnt der Rückblick.

Und es stellt sich heraus, dass nicht nur leere Wahlversprechen stets durch den höheren Zweck verbrämt wurden, die eigene Partei, »die Guten«, erst einmal an die Macht zu bringen, damit sie umsetzen können, was allen nützen wird. An die Macht aber wären sie nie gekommen, wären da nicht die Wahlversprechungen gewesen. Auch im Privatleben dieser allesamt auf ihre Überzeugungen so stolzen Freunde liegt einiges im Argen. Man betrügt sich und belügt sich, man verheimlicht Wesentliches voreinander (oder breitet Unwesentliches ausführlich aus), man geht fremd (oder hilft anderen dabei), man verrät freundschaftliche Bande und Loyalität und verlangt sich gegenseitig Opfer ab, die man selbst zu bringen nicht bereit ist. Oder täuscht Solidarität mit Lebensentscheidungen des anderen vor, nur um sie am Ende furchtbar krumm zu nehmen.

Die Demokratie ist am Ende, es lebe die Demokratie, sagt der Film. Oder so ähnlich. Die Linke ist auch nicht viel besser als die Banker dieser Welt - und die vielleicht nicht alle die schrecklichen Strippenzieher als die die Linke sie gerne schildert. Und Frauen sind schon mal gar nicht wahrhaftiger und transparenter als männliche Politiker. Oder vielleicht muss nur eine neue Garde her? Cillian Murphy jedenfalls, und auch das ist nur halb ernst zu nehmen, Cillian Murphy sollte aufpassen, nicht zu oft als Hassfigur zum Gegenschlag auszuholen. Dass »Dunkirk«, wo er ebenfalls einen problematischen Charakter darstellt, zeitgleich mit »The Party« anläuft, ist nämlich zumindest für ihn ein echt blöder Zufall.

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