Ein pazifistischer Blockbuster

Im Kino: »Planet der Affen 3: Survival« von Matt Reeves ist visionäre Science-Fiction

  • Tobias Riegel
  • Lesedauer: 5 Min.

Der Moses unserer Tage heißt Cesar. Ist es doch die Mission jenes unheimlich intelligenten Schimpansen, sein (Affen-)Volk ins gelobte Land zu führen - und dadurch einen totalen Krieg mit den Menschen zu vermeiden. Auch der von Joseph Conrad in »Herz der Finsternis« erdachte Elfenbeinhändler Kurtz - von Francis Ford Coppola in »Apocalypse Now« zum Colonel Walter E. Kurtz weiterentwickelt - hat nun eine neue heutige Entsprechung: Woody Harrelson gibt einen kahlrasierten Colonel, der sich mit einer verschworenen Truppe und einer gehörigen Portion Paranoia und Brutalität vor Mensch und Tier verschanzt hat. Das sind die beiden Protagonisten, die extremen Pole in Matt Reeves »Planet der Affen 3: Survival« - einer stimmigen, nachdenklichen, teils rasanten, teils überraschend meditativen Science-Fiction-Parabel. Sie verbindet den Wahnsinn von »Apocalypse Now« mit der moralischen Kraft von »Schindlers Liste«, den Anspielungen auf die Sklaverei von »Roots«, den Ausbruchsfantasien von »Alcatratz« oder »The Great Escape« und den Rachefeldzügen aus »Django Unchained«. Diese Handlungselemente werden mit durchkomponierten, düsteren und so noch nie gesehenen Bildern kombiniert.

Auch wenn »Planet der Affen« buchstäblich aus einem völlig anderen geistigen und künstlerischen Kosmos stammt: Er ist nach Christopher Nolans bedrückendem »Dunkirk« der nächste grimmige und sich authentisch anfühlende Kriegsfilm, der einen mit seiner Bildwucht schier umwirft. »Planet der Affen 3« strahlt zudem einen inhaltlichen Ernst und eine moralische Dringlichkeit aus, die man sofort akzeptiert - obwohl es doch eigentlich nur um sprechende Affen geht!

Die Ausgangslage: Ein medizinisches Experiment hat Stoffe freigesetzt, die bei Affen die Intelligenz potenzieren, die Menschen aber dahinraffen. Später mutieren diese Stoffe. Ein Virus sorgt dann bei den wenigen überlebenden Menschen für Sprachverlust und eine geistige Rückentwicklung auf Primaten-Niveau. Allen Versuchen des bedächtigen Cesar zum Trotz, den Konflikten zwischen dezimierter Menschheit und aufstrebender Affenpopulation aus dem Weg zu gehen, ist im zweiten Teil der Trilogie ein erbitterter Krieg zwischen den Parteien entbrannt.

Im neuen, dritten Teil haben sich die Affen in versteckte Lager tief im Wald zurückgezogen, in der Hoffnung, den Hass der Menschen aussitzen zu können. Doch der Hass des Colonel ist grenzenlos, und er hat seine schurkische und (von den Menschen) ausgestoßene Truppe auf den Tod der Primaten eingeschworen. Für dieses Vorhaben hält die paramilitärische Einheit sogar selber Affen in ihren Reihen: gedemütigte Kollaborateure, die früher Cesars Gefährten und späterem Erzfeind Koba gefolgt waren.

Die Menschen können nach einem brutalen Überraschungsangriff einen temporären Sieg feiern und fast alle Affen internieren und versklaven. Diese Lagerszenen (inklusive Hunger und Folter) sind harte Kost. Doch es ist erstaunlich, dass es hier einem Unterhaltungsfilm gelingt, nachvollziehbar auf Sklaverei- oder sogar Holocaust-Dramen anzuspielen (und das mit Affen als Gefangenen!), ohne peinlich oder anmaßend zu wirken. Cesar entkommt der Razzia und ist fortan von genau jenem Rachedurst erfüllt, den er früher verurteilt hat.

Fast fünfzig Jahre sind vergangen, seit Charlton Heston 1968 als verirrter Astronaut auf dem Planeten der Affen landete, der sich zu seinem Schrecken als die Erde entpuppte. Zu den bis heute faszinierendsten Elementen der Reihe zählt die Metamorphose der Affen. Und die konnte wegen technischer Beschränkung nie befriedigend dargestellt werden - bis jetzt: An der langsamen Vermenschlichung der Tiere, die sich gemächlich über drei Filme hinzieht, kann man sich einfach nicht sattsehen. Und selbst im dritten Teil erscheint das Bild von hoch zu Pferde reitenden oder komplexe Waffen bedienenden Affen noch immer höchst erstaunlich - und um Einiges fremder und weiter entfernt als H. R. Gigers Alien oder bunte Fantasiewesen in »Avatar«.

An dieser Faszination hat der britische Schauspieler Andy Serkis bedeutenden Anteil, gibt er als Schimpanse Cesar doch den Hauptdarsteller, der alle Menschen (sogar Woody Harrelson) weit überstrahlt. Und auch wenn die Figur zum Teil animiert ist, so verleiht Serkis dem Affen doch eine Menschlichkeit, oder besser: eine authentische Affenhaftigkeit, die fast schon unheimlich ist. Die Regie kostet diese Perfektion aus, und ergeht sich in langen, ruhigen Studien der Affen-Physiognomie. Serkis hat mit seinen Darstellungen der Wesen Gollum (»Herr der Ringe«, »Hobbit«), King Kong und nun Cesar eine völlig neue Ebene ins Unterhaltungskino gebracht. Und das, ohne je sein Gesicht zu zeigen. Dafür hat er langsam, aber sicher, den Oscar verdient.

Der zweite Teil der Affentrilogie verzichtete fast völlig auf Humor, was positiv überraschte. Teil drei führt ihn nun wieder ein, jedoch so wohldosiert, dass die Blödeleien tatsächlich eine Erholung von den restlichen, höchst depressiven Vorgängen bieten. Es taucht auch - zunächst ein Schock! - ein kleines süßes Kind, ein stummes Waisenmädchen auf. Doch selbst dieses sonst zerstörerische Element für jeden düsteren Sci-Fi-Film wird von Reeves gebändigt und angemessen im Hintergrund gehalten.

Es ist inhaltlich gefährlich und moralisch grenzwertig, Menschen mit Tieren gleichzusetzen. Doch man kommt nicht umhin, den in der Trilogie beschriebenen Grundkonflikt zwischen einer etablierten Gesellschaft und einer lange Zeit unterdrückten, nun aber mit Macht aufstrebenden Schicht mit dem Kampf gegen den Kolonialismus oder mit Protesten von Migrationsgesellschaften im Exil zu assoziieren.

Der Film ist dennoch (und auch trotz seiner waffenstarrenden Actionsequenzen) einer der ganz wenigen pazifistischen Blockbuster, denn er verurteilt den Krieg an sich - und nicht nur eine Konfliktseite oder eine bestimmte Art, Krieg zu führen. Und er befeuert keinen Kokolores wie »Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg«. Reeves großer Wurf könnte, bei entsprechendem kommerziellen Erfolg, sogar für das ganze Genre zukunftsweisend sein und Studiobosse bestärken, intelligente, düstere, konsequente, zynische und politische Elemente in ihre Superhelden-Schlachten zu schmuggeln.

An dieser Stelle kann man sogar die mittlerweile zum kaum noch lesbaren unjournalistischen Kampfblatt mutierte »Washington Post« zitieren: »›Planet der Affen 3‹ mag den Körper eines Actionfilms haben, aber er hat die Seele eines Art-House-Dramas und das Hirn eines Polit-Thrillers.«

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