Eigener Strom vom eigenen Dach
Mieterstrommodelle werden immer beliebter
20 Grad, wenig Wolken: Das freut Dieter Heigener. Drei Geschosse über seiner Mietwohnung knallt die Sonne auf die Solaranlage auf dem Dach des adretten Neubaus. »Bei dem Wetter hier gibt’s ja richtig Strom«, sagt der 70-Jährige. Die Solarzellen könnten fast die Hälfte des Strombedarfs der rund zwei Dutzend Haushalte im Mieterstrom-Projekt der Wohnungsbaugenossenschaft Fortschritt im thüringischen Sondershausen abdecken - rechnerisch jedenfalls.
Das Modell könnte Nachahmer finden: Kürzlich beschloss der Bundestag ein Gesetz zur Förderung von Mieterstrom-Modellen. Am rentabelsten seien sie in den ostdeutschen Bundesländern, wo die Netzentgelte am höchsten sind und damit der Anreiz am größten, sich abzukoppeln, sagen Fachleute. Bundesweit könnte jede sechste Mietwohnung geeignet sein.
»Wenn man das Wort Mieterstrom hört, glaubt ja jeder Laie, da oben ist eine Photovoltaik und dann geht eine direkte Leitung an deinen Kühlschrank«, sagt Volker Kämmerer, Vorstand bei der Wohnungsbaugenossenschaft in Sondershausen. Tatsächlich nutzen die Mieter nur die Hälfte ihres Stroms vom Dach. Da am Vormittag kaum jemand zu Hause ist, fließt der Großteil der Sonnenenergie ins Netz der Stadtwerke. Abends laufen die Fernseher dafür nur mit zugekauftem Strom aus dem Netz. Es ist nur eine von verschiedenen Varianten, mit denen Mieter eigens erzeugten Strom nutzen können.
Zu 26 Prozent sind die beiden Häuser Selbstversorger. 63 Tonnen Treibhausgase haben die Bewohner in fast drei Jahren eingespart. Und sie zahlen für ihren Strom weniger als beim Grundversorger. So könnten Mieter von der Energiewende profitieren, sagt Thüringens Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne).
Doch der Ausbau der Stromerzeugung auf Mietshäusern kommt nur langsam voran - selbst in Thüringen, das als eines der Pionierländer im Herbst 2016 ein Förderprogramm dafür aufgelegt hat. Rund 11 000 Häuser seien in Thüringen für Mieterstrom geeignet, doch nur eine niedrige zweistellige Zahl an Projekten gebe es, schätzt das Ministerium. Der Geschäftsführer der Thüringer Energie- und Greentech-Agentur (Thega), Dieter Sell, glaubt nicht, dass es bald viel mehr sein werden.
Dabei kann sich das Modell auf lange Sicht rechnen. Für Strom, der ohne Umweg verbraucht wird, entfallen neben der Stromsteuer auch die im Osten hohen Netzentgelte. Die Preislücke zwischen dem Stromtarif und der Einspeisevergütung lässt zu, dass der Mieter auch dann Geld spart, wenn der Vermieter ihm den Strom zu einem höheren Preis verkauft, als er für die Einspeisung ins Netz bekäme, rechnen die Fachleute vor.
Besonders lukrativ ist das aus Vermietersicht trotzdem nicht. Denn zur Anlage kämen noch die Anschaffung spezieller Zähler, die Wartung, bürokratischer Aufwand sowie ein steuerliches Risiko. Dazu müsse von jeder Stromlieferung die Umlage für erneuerbare Energien abgeführt werden - 6,88 Cent pro Kilowattstunde, die die Differenz auffresse.
Vergünstigungen gelten nur, wenn Erzeuger und Verbraucher eine Person sind, etwa bei Eigenheimen. Liefert eine Wohnungsgenossenschaft Strom an Mieter, muss die volle Umlage gezahlt werden. Deshalb halten Kritiker die neue Förderung von bis zu 3,8 Cent pro Kilowattstunde für zu gering. Für die Sondershäuser laufen die Zahlen zumindest in Richtung schwarze Null: »Wenn der Punkt kommt, dass man den Strom günstiger herstellt als die Stadtwerke, dann haben wir einen Durchbruch«, so der technische Leiter Torsten Hoecke. dpa/nd
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