Tim H. ist endgültig frei
Nach sechsjährigem Kampf durch vier Instanzen wird der Berliner Antifa-Aktivist vom Oberlandesgericht endgültig rehabilitiert
Das Schlussbild passte am Montag nicht ganz zu dem verbissenen Eifer, mit dem die Dresdner Staatsanwaltschaft den Berliner Tim H. jahrelang verfolgt hatte. Vor dem Gebäude des Sächsischen Oberlandesgerichtes in Dresden kommt es zu einem versöhnlichen Händedruck zwischen Staatsanwalt Stefan Henke und dem nun nicht mehr Angeklagten, der sogar freundliche Zukunftswünsche hört. »Auch gut, dass das alles nun vorüber ist«, war es dem Staatsanwalt zuvor schon herausgerutscht.
Nach nur 48 Minuten Verhandlungsdauer verwarf das Oberlandesgericht am Montag die Revision gegen den 40-jährigen Tim H. Es war das vierte Verfahren, in dem sich der Mitarbeiter der Bundesgeschäftsstelle der LINKEN wegen Landfriedensbruchs und angeblicher Rädelsführerschaft bei den Krawallen um den Naziaufmarsch in Dresden im Februar 2011 verantworten musste. Nun ist er endgültig rehabilitiert.
Der Missbrauch des Dresdner Zerstörungsgedenkens durch Tausende Rechte aus ganz Europa provozierte seit 2008 auch massive Gegendemonstrationen. Die Verwüstungen des 19. Februar 2011 durch Linksautonome waren erheblich, beförderten aber auch einen Konsens in der zerstrittenen Stadt und schließliche eine Marginalisierung der Nazi-Kundgebungen. Tim H. wurde vorgeworfen, per Megafon zum Durchbruch einer Polizeisperre aufgefordert und dabei einen Beamten als »Nazischwein« beschimpft zu haben. Im Januar 2013 verurteilte ihn das Amtsgericht Dresden deshalb zu einer Haftstrafe von einem Jahr und zehn Monaten ohne Bewährung. Überregionale Proteste und eine Berufung waren die Folge, die im Januar 2015 am Landgericht verhandelt wurde.
Der Angeklagte wurde damals vom Vorwurf des Landfriedensbruchs freigesprochen, sollte aber 90 Tagessätze zu 45 Euro Geldstrafe wegen Beamtenbeleidigung zahlen. Eine wesentliche Rolle bei der Urteilsfindung spielte die Glaubwürdigung der teils willkürlich zusammengeschnittenen Polizeivideos, die Verteidiger Sven Richwin als »manipuliert« bezeichnete. Die Staatsanwaltschaft aber legte hartnäckig Revision ein. Das Oberlandesgericht gab dieser statt und verwies das Verfahren zurück an das Landgericht Dresden. In der dritten Runde aber wird Tim H. im Januar 2017 nicht nur erneut freigesprochen. Videos, ein Stimmgutachten und Zeugen können wiederum keine Schuldbeweise erbringen. Auch die Geldstrafe wegen Beleidigung wird fallen gelassen, weil der Strafantrag des Düsseldorfer Polizeipräsidiums, dem die eingesetzten Polizisten unterstellt waren, 2011 nicht fristgerecht einging.
Wenn man am Montag den umgänglichen Staatsanwalt Henke erlebte, fragt man sich, warum die sächsische Generalstaatsanwaltschaft sich auch mit diesem Urteil nicht abfinden wollte. Nach sechs Jahren ist es das letzte schwebende Verfahren wegen der Proteste von 2011. Nur sehr wenige endeten mit Strafurteilen. Spektakulär scheiterte der Prozess gegen den Jenaer Jugendpfarrer Lothar König wegen ähnlicher Vorwürfe, wie sie gegen den Berliner Linksparteimitarbeiter vorgebracht worden waren.
Der Senat des Oberlandesgerichtes machte nun im wahrsten Wortsinn kurzen Prozess. Schon in einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft hatte der Vorsitzende Werner Stotz angedeutet, was er in der knappen Urteilsbegründung wiederholte. Das Landgerichtsurteil vom Januar 2017 sei »geradezu mustergültig«, Rechtsfehler nicht feststellbar, und Zweifel dürften nicht zu Lasten des Angeklagten gehen. Tim H. bedankte sich noch einmal bei Unterstützern und Spendern, die rund 10 000 Euro Verfahrenskosten auffingen. Von einer Vorverurteilung, davon, »dass immer etwas hängen bleibt«, habe er glücklicherweise nichts gespürt. Den Ehrgeiz der Dresdner Staatsanwaltschaft bewertet er als »politisches Manöver«.
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