Mit Anlauf in die Sommerpause
NRW: Die Landtagswahl ist drei Monate her - wie will Schwarz-Gelb seine Pläne finanzieren?
Die ersten 100 Tage nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen sind am 22. August schon um. Erlebt haben die Bürger seitdem überaus harmonische Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und FDP, einen energisch inszenierten Start der neuen Regierung von Armin Laschet (CD) und auch schon die erste Krise. Im Visier: Die Tierhaltung im familiären Schweinemastbetrieb von Landwirtschaftsministerin Christina Schulze Föcking (CDU).
Wie stabil steht das schwarz-gelbe Bündnis mit nur einer Stimme Vorsprung im Düsseldorfer Fünf-Parteien-Landtag da? Muss Laschet sich nach dem spektakulären Scheitern der hauchdünnen rot-grünen Mehrheit in Niedersachsen verschärft Sorgen machen über die Haltbarkeit seiner eigenen Regierung? »Nicht unmittelbar«, meint der Düsseldorfer Politikwissenschaftler Prof. Ulrich von Alemann. »Es wird die Regierung aber zur Vorsicht gemahnen, auf ihre Schäfchen im Landtag Acht zugeben.« Das haben Laschet und FDP-Chef Christian Lindner zu Beginn weitgehend geschafft. Vor allem dadurch, dass ihr 125 Seiten starker Koalitionsvertrag zahlreiche Kernanliegen beider Parteien vereint: Etwa die wählerwirksame Abkehr vom Turbo-Abitur und vom rot-grünen Turbo-Kurs beim gemeinsamen Unterricht für Kinder mit und ohne Behinderung. Mehr Polizei, Entbürokratisierung, mehr »Freiheit für Wirtschaft und Hochschulen«, mehr Geld für die Kommunen und ein Durchmarsch bei Digitalisierung und Elektromobilität sind weitere erklärte Großvorhaben.
Die neu in die Oppositionsrolle gerutschten Sozialdemokraten und Grünen fragen sich bloß, wie das alles konkret umgesetzt und finanziert werden soll. Nach der Sommerpause wird Laschet nun liefern müssen - zunächst in seiner Regierungserklärung. Bei der Aufstellung ihres ersten Landeshaushalts wird es dann zum Schwur kommen, wie ernst es CDU und FDP jetzt noch meinen mit ihrer Kritik an der 140 Milliarden Euro hohen Landesverschuldung.
Zwei Aufreger haben den sorgfältig choreografierten Start der neuen Regierung abgebremst: Zum einen die Affäre nach TV-Bildern von leidenden Schweinen im familiären Mastbetrieb der Agrarministerin. Zum anderen kritische Fragen nach der Unabhängigkeit von Medienminister Stephan Holthoff-Pförtner (CDU). Gegen die Agrarministerin wird die Staatsanwaltschaft kein Verfahren wegen Verstoßes gegen den Tierschutz eröffnen. Das nimmt für die neue Regierung viel Druck aus dem Kessel. Aber es mehrten sich in den vergangenen Wochen Berichte, die die Rolle Holthoff-Pförtners hinterfragen. Der Rechtsanwalt ist Miteigentümer der mächtigen Funke-Mediengruppe, die unter anderem die »Westdeutsche Allgemeine Zeitung« herausgibt, und jetzt auch Entscheider über die Medienpolitik des Landes. Die Gruppe hatte im vergangenen Monat bekanntgegeben, dass der 68-Jährige seine Ämter im Aufsichtsrat und im Gesellschafterausschuss niedergelegt habe; er bleibt aber Gesellschafter. »Mit der Nähe von Ministern zur eigenen Klientel wird eine ungute Tradition fortgesetzt«, kritisiert der Politikwissenschaftler von Alemann.
Und was tut sich in den Reihen der Opposition? Die abgewählte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) ist quasi abgetaucht. Als einfache Abgeordnete sitzt sie nun ebenso wie Ex-Innenminister Ralf Jäger (SPD) im Sportausschuss des Landtags. »Ein Abschied auf Raten«, bemängelt von Alemann. Laschet spart sich in seiner neuen Rolle als Staatsmann jeden Seitenhieb. »Regierung ist immer die Opposition von Morgen«, sinnierte der 56-Jährige kürzlich.
Der neue SPD-Landeschef Michael Groschek wirbt indes im Haustür-Wahlkampf um neues Vertrauen - vor allem in Wählerhochburgen der AfD im Ruhrgebiet. Jünger, weiblicher, streitlustiger soll seine Partei wieder werden. »Die Nagelprobe ist die Kommunalwahl 2020«, unterstreicht er. Und wie hat der Ex-Bauminister den Absturz von Rot-Grün in NRW verkraftet? »Es gab eine kurze Zeit einen Phantomschmerz, aber der ist überwunden«, gesteht der 60-Jährige. »Jetzt fühle ich mich als Kraftpaket in der Opposition.«
Dieses Attribut können die Landtagsneulinge von der AfD nicht für sich beanspruchen. »Die müssen sich erst sortieren«, beschreibt Prof. von Alemann den bislang eher verhaltenen Auftritt der 16-köpfigen Fraktion um Marcus Pretzell. Der 44-jährige Landtags- und EU-Abgeordnete versuche ebenso wie dessen Frau, Parteichefin Frauke Petry, sich vom Rechtsaußen-Spektrum um Thüringens AfD-Chef Björn Höcke abzugrenzen und die Fraktion als rechtskonservativ-bürgerlich zu positionieren. dpa/nd
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