Neue Techniken in alten Pflanzen
Aktuelle Genbearbeitungsverfahren sollen die Züchtung günstiger Eigenschaften beschleunigen und Gentechnikgegnern den Wind aus den Segeln nehmen. Von Bernd Schröder
Pflanzenzucht ist heute meist ein Mix aus traditionellen und molekularbiologischen Methoden. Wo genau im Genom einer Pflanze eine Mutation künstlich erzeugt wurde, war bisher nur schwer planbar - auch in transgenen Pflanzen ließ sich das nicht allzu genau steuern. Moderne Genombearbeitungstechnologien versprechen nun ein punktgenaues, zeitsparendes Arbeiten. Doch noch bedürfen viele Fragen einer Klärung. Sind die Verfahren sicher oder drohen unerwartete Nebenwirkungen? Wie sollte ein geeigneter Rechtsrahmen zur Regulierung aussehen? Produzieren die neuen Verfahren Organismen, die als genetisch verändert gelten müssen? Und vor allem: Was wird der Verbraucher dazu sagen? Denn der hat durch seine ablehnende Haltung der Verbreitung von Gentechnik in der Landwirtschaft bisher einen Strich durch die Rechnung gemacht - vor allem in Europa.
Seit der erfolgreichen Demonstration von Genomeditoren wie CRISPR in Tabak und Ackerschmalwand 2013 folgten weitere Tests in Nutzpflanzen wie Weizen, Soja, Kartoffeln, Reis oder Tomaten, denen Eigenschaften wie Toleranz gegenüber Herbiziden, Krankheitsresistenz oder ein optimierter Stoffwechsel mitgegeben werden sollen. Eine ganze Reihe neuer Technologien ist nun im Begriff, das Labor in Richtung Acker zu verlassen. Ihre Produkte könnten in Kürze auf unserem Teller landen.
Der US-Agrochemie- und Saatgutkonzern Monsanto hat bereits verschiedene Genome-Editing-Plattformen lizenziert, um die Gene von Mais, Sojabohnen, Baumwolle und Gemüsesorten über verschiedene Ansätze zu verändern - über Einzel-Gen-Abschaltung und Einzel-Gen-Bearbeitung bis hin zur komplexeren Editierung verschiedener Gene gleichzeitig. Im Januar 2017 hatte das Unternehmen eine weltweite Lizenzvereinbarung mit dem Broad Institute of MIT and Harvard für den Einsatz des neuartigen Genomeditors CRISPR/ Cpf1 bekanntgegeben, der im Vergleich zu CRISPR/Cas9 präzisere DNA-Veränderungen ermöglichen soll. Wissenschaftler versprechen sich aufgrund der geringeren Größe des CRISPR/Cpf1-Systems eine flexiblere Nutzung an verschiedenen Kulturen.
Einen anderen Ansatz stellt die Exzact-Technologie dar. Diesem in Zusammenarbeit der Unternehmen Dow AgroSciences und Sangamo BioSciences entwickelten Verfahren liegt der Einsatz von künstlichen Zinkfingernukleasen (ZFNs) zugrunde. Diese Enzyme können spezifisch jede gewünschte DNA-Sequenz anpeilen und so Teile von Pflanzen-DNA schnell und genau hinzufügen, löschen oder abändern. Das Genom lässt sich an definierter Stelle schneiden; bei Bedarf kann fremde DNA zielgerichtet eingebaut werden. Wissenschaftler von Dow AgroSciences haben das mit dem Einbringen eines Herbizidtoleranzgens in das Genom von Mais demonstriert. Die Technologie gilt im Vergleich zum CRISPR-Verfahren als arbeits- und zeitaufwendiger.
Bei DuPont arbeiten Wissenschaftler unterdessen an CRISPR-Weizen und -Mais, denen zu einer Dürretoleranz verholfen wurde. Die Entwicklung erfolgt in Zusammenarbeit mit Caribou Biosciences, dem Unternehmen von Jennifer Doudna, einer der CRISPR-Mütter. Im Mai 2017 kündigten beide Unternehmen eine biochemische Methode an, die außerhalb des eigentlichen Zielgebiets liegende CRISPR/Cas9-Trennstellen im Genom eines jedweden Organismus aufspüren kann, mit einer vorher nicht erreichten Genauigkeit. Von der SITE-Seq genannten Methode versprechen sich die Beteiligten eine bessere Kommerzialisierung von mittels CRISPR/Cas9 erzeugten Produkten, da dieses robuste Analysewerkzeug die effiziente Arbeit der Genschere unterstützen und Bedenken hinsichtlich unbeabsichtigter Eingriffe von CRISPR/Cas9 zerstreuen soll.
Auch Biotech-Start-ups wie beispielsweise Cibus drängen auf den Markt. SU Canola, eine gegen Sulfonylurea-Herbizide tolerante Rapssorte, wurde bereits 2016 auf Feldern in den USA angebaut. Das Potenzial ist groß: In Nordamerika werden auf rund neun Millionen Hektar Raps angebaut, Tendenz steigend. 2019 soll außerdem ein von Cibus als »nicht-transgen« angepriesener Flachs auf die Äcker kommen, der gegenüber Glyphosat tolerant ist.
Dabei nutzte Cibus das selbst entwickelte Verfahren RTDS (Rapid Trait Development System) zur Auslösung gezielter Mutationen. Bei RTDS werden kurze, im Labor synthetisierte DNA-Moleküle - sogenannte Oligonukleotide - in die Zelle eingeschleust, um an einer bestimmten Stelle im Erbgut gezielt Mutationen auszulösen. Diese Mutation kann der Austausch von einzelnen oder wenigen Nukleotidpaaren sein, die Löschung oder auch der Einschub von kurzen Fragmenten zelleigener DNA. Die eingeschleusten Oligonukleotide stellen keine neuen Kombinationen genetischen Materials dar, ihre Sequenz ist von der Zielsequenz abhängig. Sie vermitteln die Veränderung des Erbguts, werden aber nicht selbst in das Genom der Pflanze integriert - sie halten sich nur vorübergehend in der Pflanzenzelle auf. Das Verfahren wird von Befürwortern mit herkömmlichen Verfahren zur Mutagenese gleichgesetzt - es bedarf in ihren Augen deshalb auch keiner Regulierung.
Die Befürworter der neuen Verfahren argumentieren, ein Lebewesen könne nur dann als genetisch veränderter Organismus (GVO) bezeichnet werden, wenn Fremd-DNA eingeführt wurde. Wie die Mutation in das Genom kam, sei im Falle des Cibus-Verfahrens hinterher nicht feststellbar. Das Argument wird auch von Vertretern anderer Genom-Editierverfahren gebraucht, um damit eine Gleichstellung zu den als sicher geltenden, etablierten Zuchtverfahren zu konstruieren. So hofft man auf eine breite Akzeptanz der Produktpalette. Das Argument mag momentan sachlich richtig sein, doch bei der rasanten Entwicklung in der Molekularbiologie wird es nur eine kurzzeitige Gültigkeit haben, wie das Analysetool SITE-seq bereits andeutet.
2014 fragte Cibus beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) nach, ob der entwickelte herbizidtolerante Raps als GVO einzustufen sei. Das BVL entschied, dass der Cibus-Raps im Sinne der Gentechnik-Gesetzgebung nicht als GVO gelte. Beim Bundesamt für Naturschutz (BfN) war man zu einer gegenteiligen Einschätzung gekommen. In Ermangelung einer Richtlinie, die Klarheit über den Einsatz der neuen Technologien bot, entschied die deutsche Regierung im Frühjahr 2015, dass die Raps-Ölsaaten von Cibus keine GVO darstellen und deshalb Freilandversuche beginnen könnten. Bald kam Post von der EU-Kommission, mit der Bitte, die rechtliche Interpretation abzuwarten. Denn das absichtliche und nicht autorisierte Ausbringen von Pflanzen, die der EU-GVO-Gesetzgebung unterliegen, ist illegal. Seitdem wird eine Stellungnahme der EU-Kommission zum rechtlichen Status der neuen Technologien erwartet. Interessenverbände fordern eine Überarbeitung der damit befassten Gesetzgebung in Europa, die angesichts von Genome Editing nicht mehr zeitgemäß sei.
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