Was die Linke von der Alt-Right-Bewegung lernen kann

Fünf Tipps, um Trumps Vision einer Alt-Left in die Realität umzusetzen

Ein Gespenst geht um in den Kommentarspalten. Es ist das Gespenst der »Alt-Left«, einer neuen, sozialkritischen Bewegung, die sich angeblich nicht dem Diktat der Sozialdemokratie und der Zeit-Leitartikel unterwirft, sondern wieder die Graswurzeln wachsen hören will. Im Zuge der Gewalt von allen drei Seiten, wie sie zuletzt in dem kleinen Dörfchen Charlottesville (Amerika) stattgefunden hat, prägte der Präsident der Vereinigten Staaten persönlich den Begriff »Alt-Left«, um jene zu charakterisieren, die sich Alt-Right in den Weg stellten. Bisher existiert der Begriff hauptsächlich als Wunschtraum - einerseits bei Linken, die gerne mal wieder etwas gesellschaftliche Relevanz besäßen, andererseits bei Rechten, die gerne mal wieder einen Sündenbock für die Ablehnung hätten, die sie überall erfahren. Wie aber könnte die Linke wirklich von Alt-Right lernen? Mit diesen fünf Tipps könnte es klappen:

1.) Das Internet

Die Alt-Right-Bewegung (deutsch: »alternativ rechts«, also links) macht es vor: Internet, Meme und gnadenloses Drunterkommentieren bei Twitter. Na klar, so denkt sich mancher Linker, mache ich doch auch. Doch gemach: Es genügt nämlich nicht, einmal am Tag ein Marx-Zitat zu twittern oder die unverschämten Preiserhöhungen bei Alnatura anzuprangern. All dies muss, ähnlich wie bei der Alt-Right, in einer jammernden, dauerbeleidigten Sprache vorgetragen werden, in der nahezu jedes Erlebnis als persönlicher Angriff gewertet wird. Hier empfiehlt sich das Studium der Schriften des Spiegel-Autoren Jan Fleischhauer und des FAZ-Bloggers Rainer Mayer (»Don Alphonso«), deren gequälte Prosa sich stets geriert, als hätten die Feministinnen ihnen bereits die Kronjuwelen in die Schraubzwinge gespannt. Merke: Wer jammert, hat recht!

2.) Humor

Nicht zuletzt durch Internet-Foren wurde der Humor der Alt-Right-Bewegung mitgeprägt: Cartoonfiguren wie der Frosch Pepe und lustige Bilder mit großen weißen Buchstaben gaben der Bewegung von Anfang an etwas Anarchisches, Gegenkulturelles. So konnte man Nazi sein und gleichzeitig Spaß haben - wohingegen bei den Linken jahrelang nur sauertöpfisches Nacherzählen von Parteitagsbeschlüssen und Plenumsprotokollen gepflegt wurde. Auch die FDP fährt mit ihrer Comic-Schöpfung Christian Lindner (»Lindi«) und seinen verschwitzten Abenteuern einen sehr erfolgreichen Kurs. Möglicherweise könnte Jakob Augstein und die irrwitzige Geschichte von einem antisemitischen Verlagsbesitzer, der sich für einen Linken hält, von der Alt-Left mit Memes nacherzählt werden.

3.) Jesus

Die Alt-Right versammelt nicht nur Nazis und Rassisten - das Motto »Unite the Right« spricht auch Evangelikale, Jesusfreaks oder Weltuntergangsspinner an. Der agnostisch-liberale Kurs, den die Linke derzeit fährt, muss deswegen dringend aufgegeben werden! Schließlich war Jesus nicht nur Vertreter der sharing economy (mit dem Foodtruck Fisch unters Volk bringen), sondern auch Kritiker der Finanzwirtschaft (sofern sie in Gotteshäusern stattfand). Konsequenz: Der »Genosse Jesus« muss wieder mit ins rote Boot geholt werden! Wer täglich für den Generalstreik betet, macht ihn zwar nicht wahrscheinlicher, nimmt aber wenigstens der Alt-Right einen wichtigen (göttlichen) Verbündeten.

4.) Wahlen

Wer heute politisch erfolgreich sein will, darf sich nicht nur auf die sozialen Medien verlassen - er muss auch Wahlen gewinnen! Diese aufregende Idee ist der Linken leider zuletzt eher abhanden gekommen. Wer heute Wahlen gewinnen will, kommt aber an Putin bzw. dem »vernünftigen Verhältnis mit Russland« (Gerhard Schröder) nicht herum. Vertreter einer künftigen Alt-Left-Bewegung sollten schon einmal erste Pitch-Emails nach Moskau senden, um die Wahlhelfer aus der kühlen Taiga für diese Idee warmzumachen.

5.) Medien

Viel zu lang hat sich die Linke mit der Idee aufgehalten, in den Medien gut dazustehen und sich mit Fakten und wohl abgewogenen Argumenten in die Talkshows zu wagen. Wer heute ernst genommen werden will, beschimpft die Medien, wo er nur kann - und glaubt eh nur, was er sich selber ausgedacht hat. Um hier einen Anfang zu machen: »neues deutschland«, ohnehin nahezu irrelevant, verbreitet nichts als LÜGEN! Halbseidene Gestalten wie Nicolai Hagedorn oder Thomas Blum können ohne Probleme die dreistesten Unwahrheiten verbreiten, ohne dass ihnen jemand in den Arm fällt! Sobald ich Präsident bin, Quatsch, Kanzler, werde ich diese meine Zeitung von einem eigens dafür beauftragten Staatsanwalt untersuchen lassen! Und Leute wie mich ins Kittchen bringen! Mein Wort darauf. So könnte es noch klappen mit der Alt-Left.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.