Rot-grün-roter Theaterdonner

Kooperation im Dresdner Stadtrat: Grüne werfen SPD ein »Verlässlichkeitsproblem« vor

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 4 Min.

Vor einem Jahr wurden in schönstem Sonnenschein und vor reizvoller Kulisse Schreibgeräte gezückt. Politiker von LINKE, SPD und Grünen in Dresden, die seit der Kommunalwahl 2014 im Stadtrat zusammenarbeiten, unterschrieben ein Papier mit Plänen für den Rest der bis 2019 laufenden Wahlperiode - mit Blick auf das neue Kulturkraftwerk Mitte, das in der rot-grün-roten Ära eingeweiht wurde. Die Stimmung war heiter; es gab Sekt.

Zwölf Monate später ist die Stimmung nicht mehr ganz so rosig; vergangene Woche sah es gar so aus, als sei das Mitte-Links-Bündnis vorzeitig am Ende. »Eskalation im Stadtrat«, titelten die »Dresdner Neuesten Nachrichten«, und die Grünen warfen der SPD einen »inszenierten Ausstieg« aus der Kooperation im Stadtrat vor.

Vorangegangen war eine Abstimmung, bei der eben jene Grünen den Partnern die Gefolgschaft verweigert hatten. Gemeinsam mit CDU, FDP und AfD beschlossen sie die Senkung der von Touristen erhobenen Beherbergungssteuer. Einige Stadträte der SPD sahen das Handtuch im Bündnis als zerschnitten an. Er sei »froh, dass sich dieses Kooperationstheater jetzt erledigt hat«, wurde Christian Bösl zitiert. Fraktionschef Christian Avenarius, der eine Zustimmung zur Steuersenkung bereits vorab als Bruch der Kooperation eingeordnet hatte, bezeichnete das Bündnis als »zerrüttet« und warf den Grünen vor, sie hätten dessen Grundlage verlassen.

Kein Zweifel: Die Abstimmung hat eine Krise in dem kommunalen Bündnis ausgelöst. Das hatte sich 2014 nicht weniger als einen Politikwechsel in der Landeshauptstadt auf die Fahnen geschrieben, in deren Stadtrat lange CDU und FDP die Richtung bestimmt hatten. Zu den zentralen Vorhaben gehört die Gründung einer Woba 2.0, einer neuen städtischen Wohnungsgesellschaft. Ihr Vorläufer war 2006 von einer Ratsmehrheit aus CDU, FDP und einigen Abgeordneten der LINKEN verkauft worden. Auch der sanierte Kulturpalast gehört zu den Vorzeigevorhaben der Kooperation, die sich zudem in vielen kleineren Vorhaben manifestiert. So wurde vorige Woche ein Lärmschutzplan für die Neustadt sowie der Ankauf einer Villa beschlossen, in der in den 1930er Jahren die Tänzerin Mary Wigman gewohnt hatte und das zu einem Domizil der freien Szene werden soll.

Solche Beschlüsse zeigen, dass das Bündnis im politischen Alltag weiter funktioniert. Gleichzeitig fliegen zwischen einigen ihrer Protagonisten jedoch die Fetzen. Die Vorwürfe aus der SPD und die abschätzige Formel vom »Kooperationstheater« wurden dabei von den Grünen ebenso harsch abgebügelt: »Theater« werde vielmehr um den angeblichen Ausstieg aus der Kooperation gemacht. Der langjährige Stadtchef Micha Schmelich merkte an, dass der Vertrag des Bündnisses ein Ausscheren bei Abstimmungen ausdrücklich zulasse - und zwar für alle Themen, die das Papier nicht explizit als gemeinsame Vorhaben benennt. Die Bettensteuer zähle nicht dazu. Im übrigen hätten die Sozialdemokraten ebenfalls von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, etwa, als sie gegen die Fürsprache von LINKE und Grünen einem soziokulturelles Projekt im Szeneviertel Neustadt ein bestimmtes Grundstück verwehrten.

Nach Wahrnehmung der Grünen ist die vermeintlich inszenierte Krise in Meinungsverschiedenheiten in den Reihen der SPD begründet; diese hätten ein »Verlässlichkeitsproblem«, ist vom grünen Stadtvorstand zu hören. Während Teile der SPD-Fraktion um ihren Chef Avenarius mit skeptischen Einschätzungen zitiert wurden, beteuerte Stadtchef Richard Kaniewski, die Dresdner SPD stehe zum Bündnis. Er verwies auf mehrere entsprechende Parteibeschlüsse und merkte an, das Stimmverhalten bei der Bettensteuer sei zwar nicht förderlich gewesen, aber zum Bruch des Bündnisses »führt das ganz sicher nicht«.

Während sich Grüne und SPD derart in die Haare geraten, ist die LINKE um Besänftigung bemüht. Sie sieht die Lage als durchaus kritisch an: Die »erheblichen Spannungen« zwischen den beiden Partnern ließen die Fortsetzung der Kooperation als »gefährdet« erscheinen. Man erwarte aber, die vorhandenen gemeinsamen Möglichkeiten zur politischen Gestaltung in Dresden »nicht leichtfertig aufzugeben«, erklärten die Stadtpartei- und Fraktionschefs Jens Matthis und André Schollbach. Sie setzen jetzt auf eine für diese Woche avisierte Sitzung des Kooperationsausschusses - einer Spitzenrunde, in der praktisch alle jener Politiker sitzen, die noch vor Jahresfrist in der Augustsonne gemeinsam mit Sekt angestoßen haben.

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