Macron wirbt gegen Polen

Frankreichs Präsident macht sich auf Osteuropatour stark für eine Reform der EU-Entsenderichtline

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron lässt es auf eine diplomatische Krise mit Polen ankommen. »Indem es die Interessen Europas auf zahlreichen Gebieten infrage stellt, entscheidet dieses Land heute, sich außerhalb der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Europas zu stellen«, sagte Macron zum Abschluss seiner Osteuropareise vergangene Woche. Was er dabei besonders an der rechtskonservativen Regierung Polens kritisiert, ist, dass sie seine Bestrebungen zur Reform der EU-Entsenderichtlinie ablehnen.

»Ich bin überzeugt, dass das polnische Volk Besseres verdient hat und dass die polnische Regierung Schwierigkeiten haben dürfte, ihren Bürgern zu erklären, warum es für die Polen gut ist, sowohl im eigenen Land als auch im europäischen Ausland schlecht bezahlt zu werden«, sagte Macron weiter. Die polnische Regierungschefin Beata Szydlo reagierte umgehend und griff Macron scharf an: »Dieses arroganten Äußerungen sind wohl Ausdruck seiner mangelnden Erfahrung und fehlenden politischen Praxis. Hier hat er noch viel nachzuholen und Zurückhaltung zu üben.«

Nach jüngsten Zahlen gibt es rund 1,9 Millionen Arbeitnehmer, die befristet in andere Länder entsandt wurden, für die aber weiter in ihrer Heimat die niedrigeren Sozialabgaben abgeführt werden. Macron will vor allem erreichen, dass die Entsendung auf ein Jahr befristet wird und dass ein erneuter Auslandseinsatz frühestens ein Jahr danach erfolgen darf. Außerdem sollen die entsandten Arbeiter vor Ort nicht mehr nur den Mindestlohn bekommen, sondern den Tariflohn der jeweiligen Branche. Auch dürfe der Mindestlohn nicht unterlaufen werden durch willkürliche Abzüge etwa für Unterbringung, Verpflegung oder sogar Arbeitsgeräte. Zum Thema Reform der Entsenderichtlinie und Kampf gegen Lohndumping soll es am 23. Oktober einen EU-Sozialgipfel geben.

Macron konnte es sich leisten, die Außenseiterrolle Polens anzuprangern, weil ihm die Gespräche mit den Regierungschefs der Tschechischen Republik, der Slowakei, Rumäniens und Bulgariens gezeigt haben, dass er für seine Absicht, noch vor Ende des Jahres die 1996 beschlossene Entsenderichtlinie abändern zu lassen und die Bedingungen für die Entsendung von Arbeitskräften zu verschärfen, eine Mehrheit finden kann.

Die Unterstützung Deutschlands und Österreichs war ihm schon sicher, als er zum Auftakt seiner Reise in Salzburg mit den tschechischen und slowakischen Regierungschefs zusammengetroffen ist. Dabei erklärten sich beide grundsätzlich zu einer entsprechenden Reform bereit. Genauso äußerte sich im weiteren Verlauf der Macron-Reise auch der bulgarische Regierungschef, während sein rumänischer Amtskollege zurückhaltender blieb, sich aber zu einer Fortsetzung der Verhandlungen bereit erklärte.

Die Arbeitnehmerfreizügigkeit habe nicht das Ziel, Länder zu begünstigen, die sich mit niedrigeren Sozialstandards Vorteile auf dem europäischen Markt zu verschaffen suchten, erklärte Macron in Salzburg. Die Entsenderichtlinie in ihrer aktuellen Form und Praxis sei »Verrat am Geist Europas«, betonte Macron in Salzburg. Bei dieser Gelegenheit meinte der slowakische Ministerpräsident Robert Fico, einer solchen Einigung müssten sich aber auch Polen und Ungarn anschließen, die besonders viele Arbeitnehmer in andere EU-Länder entsenden.

Das Thema des durch die 2004 in die EU aufgenommenen Länder Mittel- und Osteuropas praktizierten Sozialdumpings wird regelmäßig von der rechtsextremen Front National instrumentalisiert, die die Angst vor allem von Handwerkern und Kleinunternehmern vor dem zum Sinnbild gewordenen »polnischen Klempner« schürt. Macron hat im Präsidentschaftswahlkampf versprochen, durch EU-Reformen dafür zu sorgen, dass »Europa seine Bürger schützt«.

Andererseits warnt Macron vor einer totalen Abschaffung der Möglichkeit zur Entsendung mit Hinweis darauf, dass auch 300 000 Franzosen im europäischen Ausland arbeiten. Außerdem können zahlreiche Branchen in Frankreich wie das Bauwesen, die Gastronomie oder die Landwirtschaft und Weinbau nicht auf ausländische Arbeitskräfte verzichten.

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