Abschottung nun in Afrika
Gipfel soll Kooperation bei Flüchtlingsabwehr stärken
An den Stränden nahe der nordlibyschen Küstenstadt Sabrata, etwa 70 Kilometer westlich von der Hauptstadt Tripolis, herrscht derzeit trügerische Stille. Noch bis vor wenigen Wochen galt die Region als zentraler Startpunkt für Flüchtlingsschlauchboote, die das vom Bürgerkrieg zerrüttete Land Richtung Europa verlassen wollten. Damit scheint vorerst Schluss zu sein. Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters soll eine neue Miliz an den Stränden patrouillieren und Migranten von einer Überfahrt abhalten. Die Gruppe sei offenbar von einem »ehemaligen Mafiachef« gegründet worden und betreibe auch ein Lager für die abgefangenen Menschen. Die britische Online-Zeitung »Middle East Eye« zitierte Anwohner, die davon berichten, dass die Gruppe von EU-Sicherheitsbehörden finanziert werde.
Unabhängig davon, ob das stimmt - Rom und Brüssel arbeiten an mehreren Bausteinen, um die Flüchtlingsbewegungen auf der zentralen Mittelmeerroute zu stoppen. Der italienische »Verhaltenskodex« für die Seenotretter, der vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages als »völkerrechtswidrig« erklärt wurde, ist einer davon. Die Aufrüstung der libyschen »Küstenwache«, die laut einem UN-Bericht zum Teil selbst den Schleppernetzwerken angehört, ein anderer. Als die Libyer kürzlich erklärten, sie wollten ihren Einflussbereich auf dem Meer ausdehnen, haben sich viele NGOs aus Sicherheitsgründen zurückgezogen. Dafür hilft die italienische Marine mittlerweile, die Flüchtlinge vom Meer wieder zurückzubringen - zu Bedingungen, die nach Recherchen von Amnesty International Zwangsarbeit, Folter und Vergewaltigung bedeuten.
Die Pläne aus Brüssel und Rom scheinen vorerst aufzugehen. Im Juli und August ist die Zahl der Flüchtlinge, die in Italien über das Mittelmeer angekommen sind, deutlich zurückgegangen. Im Vergleich zum Vorjahr erreichten in diesem Monat knapp 90 Prozent weniger Flüchtlinge die italienische Küste, wie aus Zahlen des italienischen Innenministeriums hervorgeht. Bis zum 25. August kamen 2932 Migranten in Italien an.
Auf einem Gipfeltreffen in Paris sollte am Montagabend dennoch eine weitere Verschärfung beschlossen werden. Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien wollen verstärkt mit afrikanischen Ländern zusammenarbeiten, um Flüchtlingsbewegungen einzudämmen. Eingeladen waren die an der Migrationsroute gelegenen Staaten Niger und Tschad sowie die Übergangsregierung in Libyen. PRO ASYL hat die EU-Staaten davor gewarnt, einen »doppelten militärischen Abschirmring« zu installieren. »Dies führt zur systematischen Versperrung aller Fluchtwege. Ein Kontinent ist dabei, sich der Verantwortung für den Flüchtlingsschutz zu entziehen«, so Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL.
Stefan Liebich, der Obmann der LINKEN im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages, kritisierte das Treffen als »Flüchtlingsvermeidungsgipfel«. Es müsse viel mehr um die Bekämpfung der Fluchtursachen gehen: »Wenn man das Schleppergeschäft bekämpfen will, dann braucht man legale Fluchtwege und dann muss man sich Gedanken machen, warum die Menschen fliehen.«
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