Rassistischer Chat: AfD-Fraktionsvize im Nordosten tritt zurück

Umstrittener Abgeordneter Holger Arppe verlässt Fraktion und Rechtsaußenpartei in Mecklenburg-Vorpommern

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Schlechte Nachrichten für die AfD mitten im Bundestagswahlkampf: Weil er sich in mehreren Chats wiederholt rassistisch und gewaltverherrlichend geäußert haben soll, zieht der Fraktionsvize der Rechtsaußenpartei im Schweriner Landtag, Holger Arppe, nun offenbar die Konsequenzen und verlässt überraschend sowohl die Fraktion als auch die Partei, wie ein Fraktionssprecher am Donnerstag mitteilte. Wie der NDR und die taz übereinstimmend berichten, ziehe Arppe damit wohl selbst die Notbremse, nachdem bekannt geworden war, dass beide Medien in Kürze ausführlich über pikante Äußerungen des Politikers ausführlich berichten wollen. Demnach handelt es sich um etwa 12.000 Seiten umfassende Protokolle, die Arppe in akute Erklärungsnot bringen dürften.

Laut NDR habe der ehemalige Landesvorsitzende der AfD in Mecklenburg-Vorpommern der politischen Konkurrenz Gewalt angedroht. So soll der Rechtsaußenpolitiker unter anderem geschrieben haben, er wolle, dass »das rot-grüne Geschmeiß auf den Schafott geschickt« werde. Auch spreche Arppe davon, Gegner »an die Wand zu stellen«, »eine Grube auszuheben« und »Löschkalk obendrauf zu streuen«.

Problematisch für den nun Ex-AfD-Politiker könnte zudem eine mögliche Verbindung zu jenem Rostocker Rechtsanwalt werden, der seit Montag von der Bundesanwaltschaft beschuldigt wird, möglicherweise rechtsterroristische Anschläge geplant zu haben. Über die betreffende Person soll er sich laut NDR im Jahr 2015 in einem Chat sehr wohlwollend geäußert haben: »Typ würde perfekt in unsere Reihen passen. Er hasst die Linken, hat einen gut gefüllten Waffenschrank in der Garage und lebt unter dem Motto: Wenn die Linken irgendwann völlig verrückt spielen, bin ich vorbereitet.« Dem Eintrag vorausgegangen war laut NDR ein Treffen auf einer Grillparty bei dem Juristen.

Erst am Montagmorgen hatten Spezialkräfte des Bundeskriminalamtes und der Bundespolizei Wohnungen und Geschäftsräume des besagten Anwalts und eines Polizisten in Grabow (Landkreis Ludwigslust-Parchim) durchsucht. Grund war der Verdacht auf Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Der Rechtsanwalt aus Rostock wies die Vorwürfe zurück, der Polizeibeamte wurde vom Dienst suspendiert.

In einem weiteren Chat vom 12. September 2015 soll Arppe laut NDR geschrieben haben: »Ich habe jetzt eine Vision: wenn es hier in Deutschland gut läuft, werden wir am Ende so eine Art Apartheidsstaat haben wie damals in Südafrika, wo die Weißen den Rest einfach nur irgendwie in Schach hielten?«

Wie die taz und der Norddeutsche Rundfunk weiterhin berichten, sei Arppe im Zuge der Recherchen am Dienstag mit den Vorwürfen konfrontiert und um eine Stellungnahme gebeten worden. Doch anstatt sich gegenüber beiden Medien zu äußern, wendete sich der Landtagsabgeordnete an die neurechte Wochenzeitung »Junge Freiheit« (JF). Dieser gegenüber erklärte er, mit seinem Austritt aus Partei und Fraktion Schaden von der AfD abwenden zu wollen. Gleichzeitig distanziere er sich von den »unterstellten Äußerungen« und kündigte an, sein Landtagsmandat behalten zu wollen. Vertreter von SPD, CDU und Linkspartei forderten ihn dagegen auf, es abzugeben. »Es ist keine Alternative - es ist Rassismus, Gewalt und Menschfeindlichkeit«, komemntierte die Schweriner Linksfraktion via Twitter die Enthüllungen.

Die »angeblichen Chatprotolle« seien illegal beschafft worden, behauptete Arppe. Bei der »JF« scheint man indes mehr über den Vorgang zu wissen: Wie das neurechte Blatt schreibt, handelte es sich bei den Protokollen um Auszüge aus einer internen Facebook-Gruppe.

In den Reihen der AfD scheint man indes froh zu sein, dass Arppe sich aus der Partei zurückzieht. Landeschef Leif-Erik Holm erklärte am Donnerstagabend, er sei »sehr erleichtert, dass Holger Arppe den einzigen richtigen Schritt getan« habe. Die ihm bekannten Äußerungen nannte Holm »wirklich haarsträubend bis ekelerregend« und bestritt, dass so etwas in der Partei eine Heimat haben dürfe. Mit seinem Austritt aus Partei und Fraktion kam Arppe laut Holm Ausschlüssen zuvor.

Es ist nicht das erste Mal, dass der bisherige AfD-Fraktionsvize für Schlagzeilen sorgt: Das Amtsgericht Rostock verurteilte ihm im Mai 2015 wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe, weil Arppe sich unter Pseudonym auf der rechten Internetplattform »Politically Incorrect« abwertend über Muslime geäußert haben soll. Gegen das Urteil legte Arppe Berufung ein. Sicher ist, dass der gebürtige Rostocker mit den völkisch-nationalistischen Identitären sympathisiert. Auf einer Landtagswahlveranstaltung des neurechten »Compact-Magazins« im vergangenen Jahr forderte er, die AfD müsse ihre »Distanzeritis« gegenüber den Identitären und Pegida aufgeben.

Laut NDR-Recherche belegen die Protokolle, dass Arppe enge Kontakte zu den »Identitären« unterhielt, obwohl es einen Unvereinbarkeitsbeschluss der Bundespartei gibt. Dennoch soll der Abgeordnete über mehrere Monate mit einem der »führenden Köpfe« der rassistischen Gruppierung gechattet haben. Arppe soll sogar versucht haben, ein Identitären-Mitglied mit NPD-Vergangenheit für die AfD zu gewinnen und Rechtsradikale als Ordner für eine Demonstration einzusetzen. mit Agenturen

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