Moskauer Botschaft für den Balkan
Russland versucht, seinen Einfluss in der Region zu verstärken
Sieg und Machtwechsel seien nur mit einem gemeinsamen Kandidaten möglich - diese Botschaft an die Opposition in Montenegro von Sergei Schelesnjak, der für die Kremlpartei »Einiges Russland« im Auswärtigen Ausschuss der Duma sitzt, ist auch an die russischen Wähler gerichtet. Will Präsident Wladimir Putin das müde Wahlvolk dazu bewegen, seine voraussichtliche letzte Legislaturperiode mit einem neuen Zustimmungsrekord zu legitimieren, muss er angesichts wirtschaftlicher und sozialer Probleme neue außenpolitische Erfolge vorweisen. Der Anschluss der Krim und die de facto »Souveränisierung« der Ostukraine liegen fast vier Jahre zurück, wenn Russland 2018 über den Chefsessel im Kreml neu entscheidet. Auch der Krieg in Syrien taugt da kaum, selbst wenn der Wiederaufbau unter russischer Führung erfolgt. Der Nahe Osten ist für das kollektive Bewusstsein zu weit weg, zumal es bisher kaum russische Opfer gab.
Für und auf dem Balkan dagegen ist in den letzten Jahrhunderten viel russisches Blut geflossen. Jetzt, so kritische Experten in Russland und auf dem Westbalkan, führe Moskau erneut einen Mehrfrontenkrieg in der Region - mit »Soft Power«. Strategisches Ziel sei die Korrektur der Entwicklungen nach den jugoslawischen Teilungskriegen in den 1990er Jahren. Für das damals schwache Russland fiel bei der Neuordnung nur eine Nebenrolle ab. Putin, so Balkan-Kenner Artjom Ulunjan, gehe es auch um Tilgung dieser Schmach. Dabei käme ihm die pro-russische Grundstimmung von Teilen der Öffentlichkeit wie des Establishments in Serbien, der bosnischen Serbenrepublik, Mazedonien und Montenegro entgegen.
Auch in Montenegro sind aus Sicht der Kremlpartei selbst nach dem NATO-Beitritt des Kleinstaats im Juni noch längst nicht alle Messen gesungen. Immerhin will die oppositionelle »Demokratische Front« nach einer Machtübernahme per Referendum über den Wiederaustritt abstimmen lassen. Zwar ermittelt ein Sonderstaatsanwalt gegen Führungskräfte der Partei und ihre Paten vom russischen Militärgeheimdienst GRU wegen Putschversuchs bei den Parlamentswahlen 2016. Gerade erst zeigte der britische Nachrichtenkanal Sky News Bilder, die den Komplottverdacht erhärten sollen.
Die russische Botschaft in Montenegro hält trotzdem engen Kontakt zur »Front« und ist auch sonst sehr aktiv. Im Land gibt es inzwischen sogar eine Balkan-Kosakenbrigade, straff und paramilitärisch organisiert wie die Brüder in Südrussland und mit dem gleichen erzkonservativen Wertekanon. Mitglieder sind viele russische Immobilienbesitzer. Mehr als 12 000 davon haben eine ständige Aufenthaltserlaubnis für Montenegro, das nur 623 000 Einwohner zählt. Sie machen aus ihrem Ärger über die Westdrift ihres Gastlandes keinen Hehl. Dahinter steckt die Furcht, die NATO-Mitgliedschaft werde auch als Katalysator für einen EU-Beitritt wirken. Dann könnte es kritisch werden mit Gaststatus und Geschäften.
Gut im Geschäft mit Moskau sind auch die Nachbarn. Anders als Montenegro verweigerte Bosnien der Europäischen Union die Solidarität, als Moskau 2014 westliche Sanktionen wegen der Ukraine-Krise mit einem Embargo für EU-Lebensmittel konterte. Bauern aus der Herzegowina füllen daher weiter die Regale russischer Supermärkte mit Mandarinen, Wein und Gemüse. Moskau honorierte das kürzlich mit Rückzahlung sowjetischer Altschulden in bar. Gewöhnlich kommen Öl und Gas als Zahlungsmittel zum Einsatz.
Serbien hat mit Russland wie mit China Abkommen zu strategischer Zusammenarbeit geschlossen und einen »Nationalen Rat« installiert, der sie koordiniert. Ihm gehört ein Drittel der Minister an. Vorsitzender ist Altpräsident Tomislav Nikolić. Wie Alexander Nowikow, Hauptabteilungsleiter für internationale Zusammenarbeit im Moskauer Verteidigungsministerium der amtlichen Nachrichtenagentur TASS sagte, werde sich Serbien sogar an Russlands Syrien-Mission beteiligen. Ähnliche Angebote seien auch an Iran, Ägypten, Jemen, China, die Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate ergangen.
Zwar geht es dabei nur um Minenräumung. Das Vorhaben sei wegen des hohen Symbolgehalts dennoch extrem brisant, warnt der Belgrader Militärexperte Aleksandar Radić. Moskau habe es Serbien aufgezwungen und im Weigerungsfall mit Änderung seiner Kosovo-Politik gedroht. Der Westen werde sich dennoch provoziert fühlen, mit allen sich für die EU-Beitrittsverhandlungen daraus ergebenden Konsequenzen. Großmächte - das gelte für Russland wie die USA - würden von Verbündeten, auch von potenziellen wie Serbien, bedingungslose Loyalität einfordern.
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